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Brief vom 28. Oktober 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


334.


[482]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Versaille den 28 October 1706.
Hertzliebe Louise, warumb ich alß gern alles wißen will undt nicht leyden kan, daß man mir waß verhehlt, ob ich zwar denen nicht helffen kan, vor welchen ich in sorgen mag kommen, so kan ich doch nicht leyden, daß man einen wie einen naren daher lest gehen undt lustig sein undt lachen, wen man recht ursach hatt, trauerig zu sein; jederman sicht einem ahn undt man wirdt jederman zum schauspiel; daß ist mein sach gantz undt gar nicht. Daß sprichwordt Waß ich nicht weiß, macht mich nicht heiß kompt er auff die jalousie. Dießen chagrin solte man mänern undt weibern verhehlen, so viel möglich ist; aber waß seinen kindern begegnet, meine ich, daß man allezeit wißen muß. Von meines sohns unglück werdt ich nichts mehr sagen. Es ist, gott lob, verbey undt er ist frisch undt gesundt; allein wie Ihr auß Amelise brieff, so ich ihr schreibe, ersehen werdet, so were ihm beynahe wider ein groß unglück begegnet, indem er mitt dem pferdt gefahlen in seiner reiß nach Grenoble. Mein sohn meint, es seye einem man eine schandte, wen er sich nicht hart stelt; hatt also wider alles einrehten reitten wollen undt dieße reiße von Pignerol nach Briancon hette ihm schir daß leben [483] gekost. Noch eine andere sotise hatt mein sohn gethan, so ihm sehr ahn der wunden geschadtet hatt, nehmblich eßen zu wollen. Bin Eüch sehr verobligirt, hertzliebe Louisse, so part in meine schmertzen genohmen zu haben. Wo es möglich ist, werden meine angsten wider ahngehen; den mein sohn pretendirt, wider in Ittallien einzufallen. Er ist diß jahr so erschrecklich unglücklich, daß woll alles zu fürchten ist. Ich habe lengst gesagt, daß man die zwey spanische könige mitt einander solte schlagen laßen; unßer hette vortheil, den er ist starck, hatt greüliche fäust. Ich würde christlicher finden, daß die zwey könige sich umb ihr königreich schlügen, alß so viel Christenbludt vergießen zu machen. Die fürstin von Frantzhagen hatt woll ursach gehabt, ma tante lieb zu haben, die ihr allein ehre erwießen. Ihre printzen müßen ihr nicht nachschlagen, weillen sie so alber sein undt kein verstandt haben. Die armuht macht schmutzig. Die printzen müßen übel erzogen sein worden. Ich weiß nicht, waß sie zu Hannover gesucht haben. Es ist eine rechte schandt von Churpfaltz, Eüch nicht zu zahlen; könte es nun beßer, alß vorhin, da er ja meines brudern gemahlin nichts mehr zu geben hatt. Wir haben eben so schön wetter hir, alß Ihr zu Hernhaussen; jedoch so scheindts heütte, alß wens endern wolte; der baromettre ist 7 staffeln höher, alß er geweßen. In dießem augenblick kompt ein courier von meiner dochter; muß wider andtworten, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Oktober 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 482–483
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0334.html
Änderungsstand:
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