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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 28 October 1706.
Hertzliebe Amelise, vergangen sontag habe ich zwar Ewern
lieben brieff vom 12 zu recht entpfangen, aber ohnmöglich drauff
andtworten können; den es war ein courir von mein sohn hir,
muste also ahn ihn undt seine leütte schreiben, dazu noch ahn ma
tante, ahn die königin in Spanien, ahn mein dochter undt 3 briff
nach Paris, ware also zu müde, umb mehr zu schreiben, habe es
biß auff dieße post verschieben müßen. Mein sohn ist, gott seye
danck, nun wider woll von seinen wunden. Es ist ihm aber wider
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ein neü unglück zugestoßen. In seiner reiße von Briançon nach
Grenoble ist sein pferdt mitt ihm gefallen undt hatt sich wehe ahm
fuß gethan; den im aufstehen ist daß pferdt ihm auff den fuß
undt bauch getretten; doch ein groß glück, daß er nicht auff dem
arm gefahlen, wo die wundt ist, noch daß das pferdt nicht drauff
getretten hatt. Von der suma gelts, davon Ihr sprecht, habe ich
nichts gehört. Der könig mag woll, wie offt geschicht, gelt vor
die troupen geschickt haben; aber ich bin gewiß, daß meinem sohn
kein gelt ist geschickt worden. Langwirige kriege machen allezeit
daß gelt rar. Frieden were vor jederman zu wünschen. Hette die
generallen meinem sohn folgen wollen, wer gantz Ittallien deß
königs; aber es war anderst im himmel beschloßen, undt wen daß ist,
muß sich alles dazu schicken. Mein sohn ist glücklich, daß man
ihm doch die justice thut, zu sagen, daß es seine schuldt nicht ist.
Ich bin Eüch, liebe Amelise, sehr verobligirt, daß Ihr mich zu
trösten sucht. Nun mein sohn wider woll, bin ich schon getröst.
Gott bewahr nur vor ferner unglück! Den mein sohn ist recht
unglücklich diß jahr. Solte er also wider in campagne gehen, wie
leicht geschehen könte, würde mir wider recht bang vor ihm
werden. Gott wolle unß beystehen! Adieu, hertzliebe Amelisse! Ich
ambrassire Eüch von hertzen undt versichere, daß ich Eüch allezeit
von hertzen lieb behalte.