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Brief vom 18. November 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


338.


[487]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 18 November 1706.
Hertzliebe Amelise, vergangen sambstag habe ich zwar Ewern lieben brieff vom 2 November zu recht entpfangen, aber sontag nicht drauff andtwortten können, weillen ich selbige tage gar zu viel brieffe zu schreiben habe, wie ich Eüch, wie ich glaube, schon mehrmahlen zu wißen gethan. Niemandts hatt Schultes bößere office geleist, alß er selber durch sein plumpes verfahren; aber ich bin so müde, darvon zu reden. Ich muß von hertzen lachen, liebe Amelise, daß Ihr findt, daß ich in meinem contrefait, so ich ma tante geschickt, schon undt woll außsehe. Wen ein groß dick gesicht, plat maul undt kleine enge augen waß schons sein, so bin ichs gar gewiß undt werde noch alle tag schönner; den ich werde noch alle tag dicker. Hertzliebe Amelise, ein jeder muß sein verhengnuß folgen; daß meine hatt mich in Franckreich geführt, da habe ich gelebt, da muß ich auch woll sterben. Teütschlandt ist mir noch allezeit lieb undt ich bin so wenig propre vor Franckreich, daß ich mein gantz leben mitten im hoff in einer großen einsamkeit zubringe. Weillen ich aber woll sehe, daß es gottes will ist, daß ich hir sein undt bleiben solle, habe ich mich drin ergeben, bin Eüch aber sehr verobligirt, nach mir zu verlangen; daß muß daß gutte gemühte undt geblüdte in Eüch verursachen. Es seindt viel sachen in der weldt, so man verlangen solte, aber durch die umstanden unmoglich werden; so ist es mitt mir auch. Es ist nichts verdrießlichers, alß wen man einem den kopff voll schwetzt, wen man schreiben will. Es ist eine thorheit, zu glauben, daß man nichts hübsches, noch magnifiques, alß in Franckreich, machen konne. Es seindt mitt den vertriebenen reformirten schir die besten arbeydtsleütte auß Franckreich gangen; also leicht zu glauben, daß man jetzt in Teütschlandt eben so schönne stoffen undt allerhandt zeüg wirdt haben können, alß man hir hatt. Man sicht nicht mitt einem schmutzigen maul zum fenster nauß, man [488] habe den einen reichen witwer geheüraht; vielleicht wirdt Eüch dießes begegenen. Es kan Eüch, liebe Amelise, nie so viel glück undt vergnügen zukommen, alß ich Eüch von grundt der sehlen wünsche; den ich habe Eüch undt Louisse von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. November 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 487–488
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0338.html
Änderungsstand:
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