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Brief vom 2. Dezember 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


339.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 2 December 1706.
Hertzliebe Louisse, dießen nachmittag habe ich Ewern lieben brieff vom 23 November zu recht entpfangen undt vergangenen montag den vom 19 November, werde heütte auff beyde zugleich andtwortten, fange bey den frischten ahn. Ich dancke Eüch sehr, Eüch mitt mir wegen meines sohns ahnkunfft zu erfrewen. Seyder er ins balhaus spillen geht, ist seine handt so viel beßer worden, daß er nun wider alle finger regen kan undt auff der flötten spiellen; hoffe also, daß, wen er daß badt von Bourbone wirdt gebraucht haben, wie dießen frühling geschehen solle, das alßden alle kräfften wider kommen werden undt mein sohn nicht lahm bleiben. Aber wen auch gleich ein finger lahm bleiben solte, ist es doch schir vor nichts zu rechnen, waß sonst hette geschehen können. Wen mein sohn gleich nicht wider in Ittallien geht, ist doch woll zu vermuhten, daß, so lang der leydige krieg werden wirdt, er woll nicht zu hauß bleiben wirdt; wünsche also den frieden recht von hertzen. Ich bin fro, daß ma tante jemandts hatt, so I. L. divertirt; den wie sie von der freüllen Pelnitz spricht, muß sie sehr amussant sein. Vor dießem, deücht mir, hatte ma tante die graffin Platten lieber, alß die Kielmanseck. Ich habe vor dießem einen herrn von Ketteler gekendt, so eine wackere artige fraw hatte. Ich weiß nicht, ob es der ist, so nun marchalck zu Cassel, ein klein mäntien voller kinderblatternmähler. Es ist mitt dem churfürstenthum von Braunsweig gangen, wie daß sprichwordt sagt: Tout vient a point qui peust attandre. Morgen werde ich durch mein dochter erfahren, ob der margraff von Baden todt oder lebendig. Vorgestern bekam ich ein brieff von mein tochter; die schrieb mir, daß sie ein schreiben von dem freüllen von [489] Fürstenberg bekomen, so nun zu Rastat ist, weillen printz Louis sie hatt hollen laßen, umb sie noch einmahl vor seinem endt zu sehen. Die sagt, daß dießer herr ohnmöglich davon kommen kan; war doch ein wenig wider beßer. Zu Paris hatt man ihn todt gesagt, er war es aber nicht. Ich will glauben, daß man ihm unrecht gethan hatt. Wir haben ein schwester undt nieçe hir vom graff Frieß; die niepce ist ein schön mensch undt die mutter hatt verstandt, brilliren sehr hir. Ma tante undt Ihr beschreibet mir die princes mitt solchen meritten, daß es kein wunder ist, [wenn] man sie regretirt zu Hannover. Gott gebe, daß sie lenger, alß ihre tante, die königin s., leben möge! Es ist recht verdrießlich, wen man im schreiben gehindert wirdt; daß geschicht mir offt auch. Monsieur Oberg kene ich woll, er war mitt dem lieben printz Carl s. hir. Ich habe in meinem sin mein leben von nichts abscheülichers gehört, alß den frieden, so könig Augustus gemacht. Er muß voll undt doll geweßen sein, wie er die articlen eingangen ist; vor so ehrvergeßen hette ich ihn mein leben nicht gehalten. Ich schäme mich vor unßer nation, daß ein teütscher könig so unehrlich ist. Ihr werdet mit der zeit noch ein contrefait von ma tante bekommen. Es ist gewiß, daß die contrefait keine freüde geben, wen sie nicht gleichen. Daß ist alles, waß ich auff Ewern letzen brieff sagen werde; ich komme jetzt auff den vom 19. Ihr habt gar woll gethan, der madame de Sasstot nicht nach zu gehen, insonderheit weillen sie den graffinen zu Berlin cediren wirdt. Wie hatt man Eüch daß zumuhten können? Ich habe woll gedacht, daß ma tante Ewere conduitte apropiren würde. Es war doch hofflich ahn madame de Sastot, Eüch compliment zu machen; daß gibt mir gutte opinion von dießer damen. Es ist auch recht artig von der cronprintzes, mitt aller gewalt Eüch adieu zu sagen wollen; sie muß meritten haben. Ich finde keine schwachheit, zu weinen, wen man ursach dazu hatt. Hiemitt seindt Ewere beyde schreiben beantwortet; bleibt mir nür überig, Eüch zu bitten, die fehler dießes brieff zu endtschuldigen; den ich kan ihn nicht überleßen, habe noch 3 große brieff zu schreiben undt es ist schon 8, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Dezember 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 488–490
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0339.html
Änderungsstand:
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