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Brief vom 30. März 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


354.


[013]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 30 Mertz 1707.
Hertzliebe Louisse, ob ich zwar heütte kranck undt recht melancolisch bin, so will ich doch auff Ewern lieben brieff vom 17 andtwortten, so ich vergangen montag entpfangen. Meine kranckheit ist ein abscheülicher husten undt schnupen, so mir weder nacht noch tag ruhe gibt; hatte dabey ein starck seyttenstechen, daß ist mir aber vergangen; habe doch nicht nach Marly gewolt, den ich habe gefürcht, daß in den cammern, so feücht undt kalt sein, weillen man lang kein fewer drin gemacht, mir den fluß auff die brust ziehen mögte. Waß mich trawerig macht, ist, daß mein armer sohn mir morgen adieu wirdt sagen undt übermorgen nach Spanien verreyßen. Vor daß endt von dießem jahr werde ich ihn nicht wider sehen undt noch dazu ist es gar nicht sicher, daß er mitt dem leben davon kompt; den vorm jahr were es bey einem haar geschehen [014] gewest; es graust mir noch, wen ich dran gedencke. Aber ich will Eüch auch nicht mehr mitt meinen sorgen plagen, komme auff Ewer schreiben. Gott seye danck, daß ma tante wider woll ist! Ich fange seyder gestern ahn, gar heßlich zu speyen. Ma tante hatte mir selber geschrieben, daß sie husten undt schnupen hatt. Ich fürchte, daß I. L. die zeit in der itzigen einsambkeit waß lang fallen wirdt; doch hoffe ich, daß es nicht lang wehren wirdt. Ma tante sagt, daß die gräffin von Sintzendorf schönne historien von gespenster weiß; die höre ich recht gern. Dieße gräffin von Sintzendorf ist vielleicht von denen, so mitt einem schuß verstandt haben. Wie ich den churprintz beschreiben höre, muß er voller fantesien sein. Ein gelehrter verstandt ist nicht allezeit ein ahngenehmer verstandt. Er hatt groß recht, wen ihn gereüet, seine schuldigkeit nicht bey ma tante zu thun; den wen er es nicht thut, wirdt ihn jederman vor impertinent halten, er mag churprintz sein, wie er wolle. Die churprintzes hatt mehr fürstlich bludt in ihren adern, alß der churprintz, also mehr inclination vor waß waß rechts ist, alß er. Gott gebe, daß auß dem printzgen waß beßers, alß sein herr vatter, werden mag! Es wirdt woll daß letzte mahl nicht sein, daß der margraff von Anspach nach Hanover kompt. Ein ander mahl werdt Ihr ihm mein compliment machen. Der margraff ist ein gutt kindt, er thut aber nichts, alß waß ihm sein hoffmeister heist. Die cavalier können nie zu hofflich gegen die damen sein. Mich deücht, es ist zu viel, daß sich die zwey regirende herrn auff Schwedisch gekleydt, selbigen könig zu sehen. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß ich Eüch so viel mühe mitt der medaille gebe. Es hatt kein eyll, wen ichs nur mitt der zeit bekomme. Hirmitt ist Ewer lieber brieff vollig beantwortet, kan Eüch weitter nichts auß dießer meiner einsambkeit hir sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1707 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 13–14
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0354.html
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