Seitenbanner

Brief vom 7. April 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


356.


[016]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 7 April 1707.
Hertzliebe Amelisse, Chasteauneuf ist noch nicht ahnkommen, habe also die bücher, so Louise mir geschickt, noch nicht entpfangen. Es ist war, daß, waß lieben betrifft, nicht so woll auff Teütsch lautt, alß auff Frantzösch. In dem fall laß ich das Frantzösch passiren, aber daß man einander auff Frantzösch schreibt, aprobire ich nicht. Den warumb kan man nicht eben so woll ohne ceremonien in Teütsch, alß Frantzösch, schreiben? Man unterlaße die tittel undt schreibe nur en billet! so kans gar woll geschehen. Es muß etwaß in der lufft sein, so überall die junge leütte so faul macht. Zu meiner zeit war es die mode gar nicht undt mich deücht, unßere lust undt freüden gingen beßer von hertzen, alß alles, waß die junge leütte nun mitt ihrer gemachlichkeit inventiren. Ich bin gantz Ewer meinung, liebe Amelis, daß die welt gantz verkehrt wirdt. Ich bin alles so müde, waß ich sehe, daß ich gantz ein hermitte einsidlerin im mitten von hoff geworden bin, gehe mitt niemandts umb, alß meinen leütten, bin höfflich, so viel mir möglich, mitt jederman, habe aber mitt niemandts kein particuliere freündtschafft undt lebe gantz allein; es seye, daß ich spatziren fahr, sonsten sehe ich von 2 biß halb 9 keinen seelen menschen, schreibe, leße oder mache korb wie die, so ich ma tante geschickt hatte. Wie ist es möglich, daß der kleine printz von Hannover schon artig sein kan? Er kan noch nichts kenen. Seegen weißen einen gutten willen, haben aber einen geringen effect; daß sonderliche, daß dran ist, ist, wie ich glaube, daß man sich verrechnet hatt. Der churprintz thut sich keine schandt ahn, Eüch bäßgen zu heyßen; seine fraw mutter ist nichts beßers, alß Ihr seydt. Von wem muß er den ungleichen humor haben? Vielleicht von seiner großmutter von der mutter seydt. Es ist doch impertinent vom churprintz, nicht mitt der churfürstin, seiner groß fraw mutter, zu sprechen. Ihr thut woll, Eüch nicht in dieße brühe zu finden. Von Eüch höre ich gern reden, daß scheüdt nicht. Ich bin leünisch, daß mein sohn in Spanien ist, habe hoch nöhtig, daß man mir waß verzehlt, distractionen zu geben. Adieu! Ich habe ein brieff von Louisse bekommen, den ich auch andtwortten [017] werde, nachdem ich Eüch versichert, daß ich Eüch lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. April 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 16–17
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0356.html
Änderungsstand:
Tintenfass