[031]
Marly den 14 Julli 1707.
Hertzliebe Louisse, ich habe heütte morgen zwey von Ewere
liebe schreiben zugleich entpfangen, eines vom 1, daß zweyte vom
5 dießes monts. Ma tante, die fraw churfürstin, hatt mir auch
geschrieben; I. L. berichten mich, wie daß sie 3 acces vom 3tägigen
fieber gehabt haben, daß 4te aber manquirt, da gott dem
allmächtigen ewig danck vor seye! Werde aber doch noch nicht gantz in
ruhen sein, biß ich vernehme, daß I. L. wider bey kräfften seindt
undt gantz wider in volkommener gesundtheit. Ich würde Eüch,
liebe Louisse, recht verobligirt geweßen sein, wen Ihr mirs gleich
bericht hettet, daß I. L. so gutt humor
[1] sein; ist gar ein gutt
zeichen undt macht mich sehr hoffen, daß I. L. baldt wider bey
volkommener gesundtheit sein werden, welches gott der allmächtige
verleyen wolle! Ich glaube, es hatt mir geant, daß ma tante nicht
woll ist; ich sagte der fraw von Rotzenhaussen in der zeit, daß ich
etwaß schweres auff dem hertzen hette undt ohne ursach trawerig
sein müste; daß muß es geweßen sein. Die freüde, so jederman
hatt, daß ma tante kein fieber mehr hatt, kan ich bey mir selber
leicht ermeßen. Gestern habe ich auch unßere tante, die fraw
abtißin, besucht. I. L. haben bey dero hohen alter den verstandt
noch so gutt, alß sie ihn ihr leben gehabt haben, hören undt sehen
woll, funden
[2] keine schmertzen nirgendts, allein sie haben große
[032]
mühe, zu articulliren undt zu gehen. Sie geben mir alß gar woll
zu eßen, magnifiq. Wie ich wider weg fuhr, wurden I. L. gantz
attandrirt; daß jammert mich recht, aber umb I. L. nicht traweriger
zu machen, hilt ich fest und sprach von widerkommen, daß troste
recht. Adieu, liebe Louisse! Ich habe noch 4 brieff zu schreiben,
kan derowegen vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich hoffe,
daß dießer brieff Eüch keine händel machen wirdt, undt daß ich
Eüch von hertzen lieb habe undt allezeit behalten werde. Ich
schreibe Eüch mitt einer gantz verstaugten handt; sie ist geschwollen
undt thut mir wehe, aber es muß doch mitt geschrieben sein.