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Brief vom 14. September 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


381.


[041]
Fontainebleau den 14 September 1707.
Hertzliebe Amelisse, ich habe zwar, ehe ich von Versaille bin, 3 liebe schreiben von Eüch entpfangen, vom 29 Augusti, ersten undt 7 September, aber es seindt mir so viel hindernüße zugestoßen, daß ich ohnmöglich drauff habe andtwortten können; werde heütte auff jedes waß sagen, fange bey dem ersten ahn. Last Eüch gar nicht bang sein, daß Ewere liebe schreiben mir unruhe bringen; contrarie, sie erfrewen mich, auch weiß ich woll, daß Ihr nicht begehrt, daß ich schreiben soll, wen ich nicht kan, also kan es mich ja in keinen sorgen setzen; den kan ich eine post nicht schreiben, so schreibe ich die andere, wie Ihr secht. Freyllich schreibe ich mehr, alß einen brieff, deß tags; es geht kein tag vorbey, daß ich nicht auffs wenigst 4 brieff schreibe, deß sontags offt 12. Ich erfrewe mich mitt Eüch, liebe Amelise, daß Ihr von der braunsweigischen reiß seydt; den es ist nichts betrübters, alß alle menschen weg zu ziehen sehen undt allein zu hauß zu bleiben. Ein gutter frieden were woll zu wünschen. Im Turckenkrieg kommen auch viel ehrliche leütte umb. Mich deücht, überal frieden were ahm besten. Auff allen seyden undt religionen verderben die pfaffen die Christen mit ihrem zancken; daß benimbt den glauben gantz, den glaubte man recht, würde man beßer undt christlicher leben. Ihr werdt nun woll wißen, daß unßere printzen hir nicht zu felde gehen. Toulon hatt sich ohne sie entsetzt. Ein frantzosch sprichwordt sagt: Qui trop ambrasse, mal estrain. Man hatt Toulon undt Marseille auff einmahl einschlucken wollen, beydes hatt gefehlt. Von der md. de M.[1] will ich nichts sagen, sie hast mich ohne daß genung. [042] Ich glaube, daß es Eüch ahngenehm sein wirdt, bey ma tante zu zu bleiben. Zu meiner zeit verbott man die pflaumen, daß verhinderte die rohte ruhr. Dieß ist alles, [was] ich auff Ewern ersten brieff sagen kan; ich komme auff den zweyten. Ach, liebe Amelisse, wen ich ein schloß in die lufft bawe, ist es alß, daß ich nach Hannover zu ma tante komme undt Eüch alle sehe, undt daß frewet mich. Wen ich aber reflection mache, wie ohnmöglich es ist, werde ich gantz betrübt, will derowegen hirvon nichts mehr sagen. Wie ist es möglich, daß Ihr alle meine eßen, die ich so gerne eße, so woll habt behalten können? Es ist doch leyder 36 jahr, daß wir nicht mitt einander geßen haben; es wirdt mir hungerisch, es nur geleßen zu haben. Bliebe ma tante gantz allein zu Hannover, were es mir leydt, daß die gutte geselschafft I. L. quittirt; aber wen man reist, hatt man ohne daß verenderung genung. Ich thue Eüch noch Louise das unrecht nicht, Eüch einfältig zu glauben. Hirmitt ist Ewer 2tes schreiben auch beantwortet, den 3ten werde ich mitt einem filtz ahnfangen. Pfui, Amelisse! Waß seindt daß vor possen, Eüch zu gerewen, woll gethan zu haben? Meindt Ihr den, daß ich complimenten von Eüch begehre? Nein, sondern offenhertzigkeit undt freündtschafft, wie es unßere proximitet erfordert. Da kompt, ah, ich habe noch lenger schreiben wollen, aber da kompt mein sohns gemahlin herein, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Euch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. September 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 41–42
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0381.html
Änderungsstand:
Tintenfass