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Brief vom 27. Oktober 1707

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


384.


[045]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhausen.

Versaille den 27 October 1707.
Hertzliebe Amelise, ich glaube, ich habe zu Fontainebleau mehr, alß 10 mahl, die feder in die handt genohmen, umb Eüch zu schreiben, undt habe nie dazu gelangen können, ist mir alß hinterung kommen undt zuletzt habe ich einen so abscheülichen husten undt schnupen bekommen, daß ich 4 tag die cammer habe hütten müßen, auch nicht mitt dem könig wider herkommen, sondern allein in mein kutsch; bin nun wider beßer. Ich dancke Eüch, liebe Amelisse, daß Ihr unahngesehen meines stilschweygen doch continuirt habt, zu schreiben. Hir habt Ihr mir einen rechten gefallen ahngethan; den Ewere liebe schreiben seindt mir recht ahngenehm. Ihr kont aber woll gedencken, daß ich nicht auff Ewere liebe schreiben werde antworten können, ich müste eine handtvoll papir schreiben; werde nur auff daß letzte andtwortten vom 16 dießes monts, so ich gestern entpfangen. Daß wordt von überlästig hettet Ihr außlaßen können; den ich kan Eüch mitt warheit versichern, daß Ewere schreiben mir nie überlästig sein.
Ich habe Louisse etwaß guts vor ihre augen geschickt, bin versichert, daß, wen sie Gendrons raht folgen wirdt, wie ichs ihr geschrieben, wirdt sie sich woll dabey befinden; den dießer docktor ist gar gelehrt vor die augen; ohne ihn hette ich die meine in den kinderblattern verlohren. Ich fürchte, es ist zu still vor ma tante zu Herrnhaußen undt daß I. L. nicht genung verenderung dort haben. Es ist ma tante recht leydt, daß made Bornet[1] weg ist. Made de Bellemont[2] ihr schön gesprach kene ich woll; sie machte Monsieur s. alß zu lachen, daß er sich die seytten hilt. Madame de [046] Longeuil[3] machts, wie ich sehe, mitt ihrer dochter reiß, alß wie der in jener comedie,[4] so alß repetirt: Mais qu’alloit il faire dans cette gallere? Ich hoffe, daß mein sohn es so gutt machen wirdt, daß er den ertzhertzog zu seiner gemahlin schicken wirdt. Gestern bekammen wir zeytung, daß, gott lob, mein sohn die statt Lerida mitt sturmenter handt bekommen; sie haben sich abscheulich gewehrt, münchen, weiber, alles ist auff die bresch kommen undt hatt die statt deffendirt, aber die unßerigen haben fest gehalten, hernach ist alles in das schloß. Der printz von Darmstatt[5] hatt mein sohn bitten laßen, zu erlauben, daß die mönchen undt weiber auß dem schloß mögten; mein sohn hatt aber geantwortet, sie wehren alle gar courageux undt hetten die statt so woll deffendirt, daß es also billig were, daß sie daß schloß auch deffendiren, undt hatt niemandts herauß [gelaßen]. Wir hoffen also, daß schloß durch hunger zu bekommen. Gott gebe es! denn es wirdt nicht eine geringe ehre vor meinem sohn sein, den zwey große generals haben den ort verfehlt, monsieur le prince[6] undt le comte d’Harcour,[7] ein fürst vom lotheringischen hauß; also, bekompts mein sohn, wirdt er recht ehre davon haben. Es ist mir nicht lieb, daß ma tante wolffenbüdelische reiße zurückgangen. Lange weill kan ma tante schaden, aber lust nie nicht, contrarie, daß setzt ein gutt geblütt undt macht woll undt ruhig schlaffen; die einsambkeit hergegen macht ahn alles gedencken, waß einem betrübt hatt, macht trawerig undt hernach kranck. Ich wolte, daß ich ein par monat incognito reißen könte undt bey Eüch sein. Ich glaube, daß weder Ihr noch niemandts in der Pfaltz mich mehr kenen würde. Ma tante mögte ich gern auch noch vor meinem endt sehen undt auffwartten. Wer ich mein eygen herr, ging ich incognito zu Eüch in die Pfaltz undt von dar mitt Eüch nach Hannover; daß were eine rechte lust. Adieu! Ich muß noch 4 oder 5 brieff vor dem nachteßen schreiben, kan derowegen vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch bitte, liebe Amelisse, Louisse von meinetwegen zu ambrassiren undt beyde [047] zu glaube[n], daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Elisabeth Charlotte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Oktober 1707 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 45–47
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0384.html
Änderungsstand:
Tintenfass