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Brief vom 3. September 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


392.


[053]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Meudon den 3 September 1708.
Hertzliebe Amelise, vergangen sambstag habe ich zu Marly Ewer wehrtes schreiben vom 21 August zu recht entpfangen, aber ohnmöglich sontags zu Versaille beantwortten [können] auß offt widerholten ursachen. Nein, liebe Amelise, daß schreiben, worinen Ihr mir berichtet, daß der junge Degenfeldt wider loß, habe ich nicht entpfangen; ich habe es aber durch ma tante, daß Churbayern ihn gleich wider zurückgeschickt hatt. Wo mir recht, so ken ich den generaln Schulenberg, er ging hir durch nach Turin; scheindt ein rechter gutter erlicher mensch zu sein. Ich wuste aber nicht, daß er fraw undt kinder hatte. Wan man im krieg mitt gesundten gliedern undt dem leben davon kompt, wie h. Max sohn, ist nur gott zu dancken. Meindt Ihr, liebe Amelise, daß in der armée nicht auch viel böße buben sein, so dießelbe inclination haben wie die Frantzossen? Wen Ihr daß glaubt, betriegt Ihr Eüch sehr. Die Englander seindt eben so arg undt machen es gar nicht beßer. Ich muß auch lachen, daß Ihr meint, daß dieße sünde nicht in Teütschlandt ist. Glaubt mir! sie können die kunst auch. Wen Carlutz nicht geweßen were, hette der kleine printz von [054] Eyßennach, so in Ungarn geblieben, den printzen von Wolffenbüttel umb leben gebracht, welcher ihn forciren wolte, undt der printz von Eyßennach wolte es nicht leyden. Carllutz hatt mir auch verzehlt, daß gantz Ostereich von[1] von solchen lastern ist. Untrew der mäner wirdt vor nichts gehalten undt untrew der weiber wirdt auch gemein in der weldt. Alles überig, so Ihr cittirt, seindt nur menschliche schwachheitten, deren man nicht entgehen kan, weill wir alle menschen sein. Wehren wir alle perfect, hetten wir daß leyden Christi nicht von nöhten, daß ja unßere fehler bedecken muß. Frolich gemüht haben stehet nicht allezeit bey unß, der nachbar muß es auch wollen. Man verliehrt durch daß alter ordinarie undt daß ist ein großer verlust. Hirin gleichen wir einander nicht, daß Ihr gern blaudert; daß thue ich gar nicht gern, bins gantz entwont in meiner einsambkeit. Nun wirdt woll baldt daß beylager. Gott erhalte nur I. L. den hertzog von Zelle, daß der nichts betrübtes drein bringt! Freylich haben wir abscheüliche hitze hir außgestanden; allein daß heiße wetter ist mir, so dick ich auch imer sein mag, viel gesundter, alß daß kalte wetter, stehe es beßer auß. Hirmitt ist Ewer lieber brieff völlig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, liebe Amelisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. September 1708 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 53–54
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0392.html
Änderungsstand:
Tintenfass