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Brief vom 22. Dezember 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


401.


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Versaille den 22 December 1708.
Hertzliebe Louisse, nun ich einen tag fixe gesetzt, umb Eüch undt Amelise zu schreiben, habe ich noch nicht gefehlt undt meine parole, gott lob, gehalten, hoffe auch nicht mehr zu fehlen. Ihr werdet auß meinen andtwortten ersehen, wen ich Ewere liebe brieffe bekommen. Dießer letzter vom 11 dießes monts ist mir gestern morgen geben worden. Es ist mir von hertzen leydt, daß Ewere augen noch nicht geheilt sein, liebe Louise! Aber so lang Ihr augenwehe habt, soltet Ihr wenig schreiben, den daß erhitzt die augen. Es ist woll gewiß, daß Ewer zustandt von den röthlen kompt; den es ja gleich drauff gefolgt. Solte er es haben, müste man ihm folgen. Wer ich ahn Ewer platz, wolte ich es eine woch probiren; thet es gut, könte man fortfahren; thut es nichts, kontet Ihr auffhören. Ich hoffe, ma tante, unßere liebe churfürstin, wirdt monsieur [067] Polier exempel folgen; der wirdt im zukünftigen Januari 89 jahr alt werden. Er geht strack ohne stock, sicht ohne brill, hatt noch seine zähn undt den verstandt, eben wie er ihn gehabt hatt, außer daß er viel gottsförchtiger undt nichts, alß von gotsfürchtigen sachen, spricht undt schreibt. Wen ich solche gutte exempel sehe, freüdt es mich undt hoffe, daß ma tante es auch so weit bringen wirdt. Ich meinte, es were keine universitet mehr zu Heydelberg undt daß die Sapientz abgebrendt wehre undt keine studenten mehr; bin fro, daß die universität wider auffgericht ist. Wir haben keinen schnee hir. Lombre Spillen glaube ich nicht daß Eüch, liebe Louise, jetzt gutt ist; den die vielle farben verblendt die augen undt zu dießem spiel gehört viel aplication. Ihr müst ja woll mitt mir von allerhandt reden, daß ich weiß; den theologie noch philosophie da weiß ich nichts von undt da konte ich nicht auff andtwortten. Ich weiß nicht viel neües. Monsieur le prince undt sein dochterman seindt gar kranck, der printz de Conti; man fürcht, daß dießer letzte nicht davon kommen wirdt; ist woll schadt, den es ist ein wackerer, verständiger herr. Man fürcht, daß daß potegram ihm in die brust gestiegen ist. Durch verrahterey hetten die feindt in Spanien Tortose schir überrumpelt undt wider bekommen, aber man ist es noch zu zeitten gewahr worden undt man hatt die feindt weg gejagt undt die statt behaben. Seydt in keinen sorgen! Ich werde keinen menschen von dießer sach reden. Den Ihr gern hettet, ist nun hir; sein herr vatter mogte ihn gern geheüraht sein,[1] schreibt mir offt. Es war nicht nohtig, daß wort von B außzuschreiben; es ist nicht schwer zu errahten. Er ist der eintzige hir, so evangellisch ist. Es war nicht nöhtig, auch printz dabey zu schreiben; hettet nur pf von B[2] setzen können. Ich kan Eüch mitt warheit versichern, daß er noch gar efferig[3] lutherisch ist. Derselbe herr aber hatt viel gelt von nöhten; den die schulden sein starck. Also müste man wißen, waß daß vermögen ist, umb die sach zu sondiren. Ich höre leyder noch gar nichts vom frieden undt kan man noch singen wie im opera von Issis[4]: La paix, la douce paix, n’ose encore descendre du celeste sejour. Ewer gutter schwager hatt einen wunderlichen humor in alles, ist sehr [068] incompatible. Ich weiß [nicht], wo er daß herr hatt, den sein herr vatter war der beste man von der weldt. Es ist war, daß alles von gott kompt undt nichts ohne seinen willen geschicht, allein weillen er unß seinen willen nicht vorher sagt, muß man alles thun, waß raisonabel ist, undt darnach . . Wir haben dießen abendt comedie undt weillen ich noch zwey oder 3 brieff zu schreiben habe, werde ich vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch undt Amelise von hertzen ambrassire undt lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Dezember 1708 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 66–68
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0401.html
Änderungsstand:
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