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Brief vom 9. Februar 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


407.


[076]
Marly den 9 Februari 1709.
Hertzliebe Louise, ich bin recht fro letzmahl geweßen, wie ich Ewer liebes schreiben vom 26 Januari entpfangen; den es ist ein zeichen, daß Ewere augen wider offen sein. Es ist eine wunderlicher standt, so Ihr ahn den augen habt. Ihr soltet, liebe Louise, Eüch mehr schonnen undt nicht viel in dem standt schreiben; vier brieff ist zu viel vor Ewere augen in dem standt, wo sie sein. Eines von meinen hündtger ist alleweill auff die taffel gesprungen undt auff dieß papir undt hatt ein gantz wordt außgewischt, wie Ihr secht. Die dame, so dieße schönne action vericht, heist Candace, née Robe; weillen ihre mutter ins kindtbett von ihr auff meinen sametten rock kommen, drumb heist sie née Robe. Madame la princesse war eben bey mir, wir sprachen mitt einander undt saßen auff ein loderbett; auff einmahl tuht die Charmille, so hinder mir lag, fing ahn, zu winssellen; daß thut sie allezeit, wen sie will, daß ich sie caressiren solle. Madame la princesse sagte zu mir: Vostre chiene se demaine. Qu’a-t-elle? Ich sagte: Elle veux, que je la caresse. Wie ich die handt hinter mir thue, umb sie zu caressiren, findt ich waß naß; wie ich darnach sehe, ligt daß hündtgen, gantz in der haut eingewickelt, noch auff meinem rock. Madame la princesse lachte von hertzen drüber; diß ist aber eine alte historie undt schon vor 3 jahren geschehen, den die springende dame ist schon 3 jahr alt. Ich bin gewiß, daß, wen Ihr herkommen köntet, daß Gendron Ewere augen heyllen würde; den er thut die schönsten curen von der weldt vor die augen. Mein armer dockter ist vor 14 tagen in jene welt spatzirt, es ist mir recht leydt; den es war ein rechter gutter, ehrlicher man undt dergleichen leütte seindt sehr rar überal, aber insonderheit hir im landt, habe also einen rechten verlust ahn dem gutten, ehrlichen man gethan. Ich bin aber heütte recht trawerig, den ich fürchte, baldt einen größern verlust zu thun, nehmblich ma tante, die abtißin von Maubuisson, welche leyder wider umbgeschlagen undt gar übel nun ist. Ihr [077] habt woll groß recht, liebe Louisse, gern bey ma tante, die churfürstin, zu bleiben wollen; hoffe undt wünsche, daß Ewere gesundtheit es Eüch erlauben wirdt, wider nach Hannover zu gehen. Daß samffte wetter hatt nicht lang gewehrt, wir haben wider eine starcke undt grimigen frost hir gehabt, heütte aber thawet es gantz auff; ob es bestandt wirdt haben oder nicht, werden wir baldt sehen. Es seindt viel leütte hir im landt erfrohren. Die wolff haußen auch abscheülich hir; den courier von Allançon haben sie sambt seinem pferdt gefreßen undt vor der statt Du Man[1] haben 2 wolff einen kauffman attaquirt. Einer sprang im auff die brust undt fing schon ahn, sein justaucorps zu zerreiß[en]. Er schrie, zwey dragonen, so vor der statt spatzirten, kammen dem kauffman zu hülff. Einer zog den degen undt stieß den wolff damitt durch undt durch; der wolff lest den kauffman undt springt den dragoner ahm halß, der cammerraht konte nicht geschwindt genung dazu komen. Er bracht den wolff zwar umb, allein daß graußame thier hatt den dragoner schon erwürgt. Der zweyte wolff kam von hinden, wurff den dragoner zu boden undt biß ihm die gurgel ab, ehe man ihm auß der statt zu hülff konte komen. Wie die hülff [kam], fandt man einen wolff undt die zwey dragoner todt; der zweyte wolff aber hatte sich auß dem staub gemacht. Von der fürstin von Homburg werde ich heütte weitter nichts sagen. Der pfaltzgraff von Zweybrücken ist bey weittem nicht von so boßem humor alß sein herr vatter, deücht mir ein gutter herr zu sein, allein er hatt sich in seinem heüraht ein wenig zu sehr precipittirt; den er hatt sich geheüraht, ehe I. L. die dispense von [Rom] bekommen haben; nun will der papst nicht in den heüraht consentiren, daß solic[it]irt er nun bey dem nuntzius. Er lebt recht woll mitt seiner gemahlin, freylich ist sie alter, alß er; der pfaltzgraff von 2brücken ist nun den 2 April 39 jahr alt worden undt seine gemahlin wirdt im Juni den 16 51 alt werden, ist also 12 jahr alter, alß ihr herr. Ich weiß unßer alt Heydelberg noch auff ein endt undt wie es zuging, kan mich hirin nicht betriegen; also wen ich leütte von unßerm hoff waß thun sehe, so nicht von unßerer [zeit] war, meine ich gleich, daß es etwaß dusseldörffisch ist. Wen jemandt hir begegnet were, waß ahn Louisse[2] geschehen, würde man es vor einen schlag [078] gehalten haben undt ihr gleich emetique geben haben. Mich verlangt, zu vernehmen, wie die aderläß Amelise bekommen. Wen es nach meinem wunsch geht, wirdt sie nun wider in volkomener gesundtheit sein. Ambrassirt sie von meinetweg! Ihr habt woll nicht ursach, endtschuldigung über Ewer übelles schreiben zu machen, den Ihr schreibt wie ein secretarius, so schön; aber waß ich schreibe, kan man woll ein recht gekritzel heyßen. Adieu! Seydt versichert, daß ich [Eüch] allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Februar 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 76–78
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0407.html
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