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Brief vom 16. März 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


413.


[087]
Versaille den 16 Mertz 1709.
Hertzliebe Louisse, ich bin in sorgen wegen Ewrer augen undt auch wegen Amelisse, den ich habe dieße woch kein schreiben von Eüch entpfangen; forchte also sehr, daß Amelisse bey dem auffs neüe schlimme undt kalte wetter wider umbgeschlagen seye, oder Ewere augen wider schlimmer worden; den ich bin woll versichert, daß dieße zwey ursachen Eüch allein ahn schreiben verhindern können. Man hört undt sicht nichts, alß trawerige sachen. Heütte habe ich ein schreiben von meiner dochter bekommen. Ihr jüngstes printzessgen liegt auff den todt, worüber sie woll hertzlich betrübt ist. Daß arme will alß, daß sie bey ihr [sei]. Sie hatt ein continuirlich fieber, so täglich dobelt, undt husten undt brustwehe darbey; ich glaube nicht, daß das arme kindt davon kommen kan. Sie ist nicht zu beklagen, den sie wirdt woll gleich ein engelgen werden oder auffs wenigst geraht in himel gehen, den sie ist nur 4 jahr alt; aber mein dochter jammert mich, die ihre kinder so hertzlich lieb hatt; den sie wirdt erschrecklich betrübt sein, wofern diß kindt stirbt. Es geht seyder gestern ein geschrey zu Paris, wolte gern, daß es war were; man sagt, es würde ein stillstandt der waffen vor 3 monat gemacht werden, umb ernstlich ahn den lieben frieden zu gedencken. Gott gebe es! Ich bin deß kriegs woll unerhört müde. Hir haben wir nun gantz undt gar nichts neües sonst. Mich verlangt unerhört, zeittung von unßer lieben churfürstin zu haben; den die zeittung von ma tante, der princes von Maubuissons, todt hatt I. L. unerhört alterirt undt seyder dem habe ich nichts von I. L. vernohmen, bin also auch deßwegen in sorgen. Seyder gestern ist daß wetter wider auffgangen. Gott weiß, wie lang es wehren wirdt undt ob nicht noch ein winter vorhanden ist; den vor 8 tagen war es daß schönste frühlingswetter von der weldt war undt sontags kam wider der schnee undt frost so erschrecklich, daß man 2 tag hernach wider [088] auff alle bassins mitt schrittschuhen geglitzscht hatt. Ah, in dießem augenblick entpfange ich mitt freüden Ewer undt Amelisse schreiben, liebe Louisse, werde sie gleich beantworten, seindt beyde zimblich frisch undt vom 9 dießes monts; bin ich fro, zu sehen, daß meine schreiben nicht verlohren worden, undt Ihr segt, daß ich meine parole halte undt kein sambstag mehr vorbeygehen laß, ohne zu schreiben. Ich gestehe, daß, wen ma tante, die princes von Maubuisson, geblieben were, wie I. L. noch vor 3 jahren wahren, hette ich große mühe, mich zu trösten, gehabt; allein sie war dießelbe nicht mehr, so sie geweßen, hatt mir manche threnen gekost, I. L. in den ellenden standt zu sehen, worinen sie wahren. Es war gar etwaß wunderliches, vor mittag kunte sie sich woll zu verstehen geben, ob sie zwar mitt mühe sprach, auff Teütsch undt Frantzösch; so baldt sie aber geßen hatte, wurde es alß übeller, auch so, daß sie kein wordt mehr reden konte undt wie in dieffen gedancken sitzen blieb, kente doch jederman woll, insonderheit die fraw von Ratzsamshaussen, welche sie allezeit von hertzen lachen machte, aber sie viel gleich wider in ihr reviren. Wen ich zu I. L. sagte, daß ich wünschte, sie wider zu sehen, sagte sie mitt stammeln, es were beßer, daß sie stürbe. Ich will nichts mehr hirvon sagen, es macht einem daß hertz zu schwer. Ich sage von grundt der seelen amen auff was Ihr unßer lieben churfürstin wünscht, dancke Eüch auch sehr vor alles guts, so Ihr mir wünscht. Es ist böße leütte undt nicht daß wetter schul dt, daß ich meine brieff von Hannover nicht richtig bekomme, welches clar darauß erscheindt, daß man bouffonerien macht, alß zum exempel einen tag gibt man mir 3 freytagsposten, so man auffgehalten, undt doch nicht die rechten, so ich den tag haben solten; ein ander mahl macht man mirs eben so mitt der montagspost undt umb zu weißen, daß die brieff auffgeweßen undt wider zupitschirt sein worden, so nimb[t] man einen bogen von dem letzten paquet undt legst[1] es in daß erste paquet undt alle andere bogen von den überigen paquetten verthrehet man dermaßen, daß, umb es zu leßen, muß man ein viertelstundt lang suchen, alles wider zu recht zu bringen; hirauß erscheindt der muhtwillen clar. Ma tante hatt mir geschrieben, daß die wolff in Teütschlandt auch courir gefreßen haben. [089] Die jagt, so sie zu Schriesheim gethan, war noch woll zu verzeyen. Wie ich sehe, so hatt mein armer bruder s. die hundt nicht weniger geliebt, alß ich, aber Ihr müst sie nicht so lieb haben, weillen Ihr so proper sein woldt. Man muß den armen hündtger woll waß zu gutt halten. Es ist abscheülich, daß Churpfaltz Eüch daß Ewerige so zurückhelt. Laß Eüch in keinen sorgen sein, waß mich ahngeht! Ich werde Eüch mein leben nichts disputtiren. Wolte gott, ich konte Eüch geben! würde es von hertzen gern thun. Also macht Eüch gar kein scrupel hirüber! Ich habe schon von andern gehört, daß Churpfaltz räht gar ungerecht sein, welches aber den churfürsten nicht entschuldigt, den er solte es nicht leyden. Adieu, liebe Louisse! Ich habe noch 3 brieff zu schreiben, muß also dießen schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Ich kan ohnmöglich dießen brieff überleßen, bitte, liebe Louisse, die fehler zu entschuldigen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. März 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 87–89
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0413.html
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