Seitenbanner

Brief vom 30. März 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


415.


[090]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Heydelberg.

Versaille den 30 Mertz 1709.
Hertzliebe Louisse, ich hatte gehofft, dieße woche 2 schreiben von Eüch zu entpfangen, weillen ich die vorige post nichts bekommen hatte, allein man hatt mir gestern nur eines vom 16 dießes monts gebracht, worauff ich heütte andtworten werde. Weillen Ihr undt Amelisse diejenigen seydt, liebe Louisse, von welchen ich ahm meisten begehre zu wißen, so bedörfft Ihr keine andere zeittungen, umb mir zu schreiben. Ihr soltet Eüch auch nie keine sorgen machen, mir große brieffe zu schreiben; den ich leße Ewere liebe schreiben von hertzen gern undt Ihr schreibt recht woll. Daß erhelt mir auch die sprach, viel Teütsch zu leßen, welche ich woll sonst vergeßen müste; den ich habe nun kein seelen-menschen, umb Teütsch zu sprechen. Wendt undt Harling habens gantz vergeßen; dießer letzte verstehet kein wort mehr. Also bringt Eüch auß dem kopff, daß Ewere liebe schreiben mich beschweren können! Der marchalck Landas hauß auff dem kleinen marck geradt vor den brunen erinere ich mich noch gar woll; den ich bin offt drin geweßen, man konte es auch von meiner cammer undt pressentz sehen. Aber wie Ihr mir Heydelberg nun beschreibt, würde ich es nimmer kenen. Ist die h.-geistkirch undt closterkirch wider gebawet, wie sie vor war mitt die 2 spitze thurn? oder ist es geendert? Den man hatt mir versichert, daß die kunst von spitze thürn zu machen, gantz abkommen seye undt kein baumeister itziger zeit es mehr machen könne. Drumb wolte ich wißen, ob die mode in Teütschlandt auch abkommen ist.[1] Ich mögte auch wißen, ob die verbrante Neckerbrück nicht wider gebawet ist worden. Ihr [091] sagt [nicht], wie der cammerdirector von Churpfaltz geheyßen hatt. Der dockter Nebel kan nicht viel jünger, alß 40 jahr, sein, wen er deß Nebels erstes kindt ist, aber auch nicht alter, den es ist, wo mir recht ist, nur 41 jahr, daß sein vatter sich geheüraht hatt. Die ahm wenigsten brauchen, finde ich die besten docktoren. Ich habe mein leben von keinem so wunderlichen zustandt gehört, alß Amelise hatt. Wie heist der docktor dieße kranckheit? Wer ist docktor Brauner? Ich habe nie von ihm gehört.[2] Grüst undt ambrassirt [Amelise] von meinetwegen undt sagt ihr, daß es mir von hertzen leydt seye, daß sie noch so incommodirt ist! Den durch ihrem letztem schreiben hatt ich gehofft, daß alles zum endt were undt sie wider in volkommener gesundtheit sey; ist mir von hertzen leydt, daß es sich nicht so befunden hatt, wünsche von grundt meiner seelen, baldt zu vernehmen, daß alles vorbey ist. Hir fordert man kein urlaub, umb von füß zu sprechen; man helt daß hir vor bürgerlich.[3] Deß printz de Conti kranckheit kam auß andere ursachen, alß Amelise ihre; ist sehr desbauchirt geweßen undt mehr, alß seine natur, so schwach war, es hatt ertragen können; daß potagram hatte er gar jung bekommen, welches ordinarie kein hohes alter gibt. Sein schwiger herr vatter, monsieur le prince, ligt auch auff den todt, wir erwartten alle augenblick die zeittung von I. L. endt, hatt gestern schon die extreme onction entpfangen. Madame la princesse ist zu beklagen, den sie hatt ihren herrn hertzlich lieb, hatt aber daß gutt, daß sie gar eine reiche witwe bleibt. Ich glaube, Ihr werdet nun die fraw von Rotzenhaussen gesehen haben; den sie schreibt vom 20, daß sie nach Heydelberg zu ihrem bruder wirdt, aber auff ostern wider zu Strasburg sein will. Seyder 15 haben wir gar keine kalte mehr, es donert alle tage schir. Hir hatt man ahnfangs auch gemeindt, daß alle weingardten erfrohren wehren; man hatt aber hernach gefunden, daß daß übel nicht so groß geweßen, alß man gemeint; hoffe undt wünsche, daß es in der Pfaltz auch so gehen möge. Lenor wirdt, wie ich glaube, ihre reiße hieher gleich ahnfangen, so baldt sie wider zu Strasburg sein wirdt. Wir werden offt von Eüch mitt einander sprechen. Sie wirdt meine dochter zu Luneville in eine große betrübtnuß finden, sie hatt ihr jüngstes dochtergen verlohren, ein kindt von vier [092] jahren schon; ist 3 wochen kranck geweßen. Mein dochter ist zu beklagen, aber dem kindt ist woll geschehen, den die ist woll gewiß im himmel. Daß ist alles, liebe Louisse, waß ich Eüch vor dießmahl sagen werde, undt versichere Eüch schließlich, daß ich Eüch undt Amelise allezeit von hertzen lieb behalten werde.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 90–92
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0415.html
Änderungsstand:
Tintenfass