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Brief vom 20. April 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


418.


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Versaille den 20 April 1709.
Hertzliebe Louisse, ich hatte gehofft, eines von Ewern schreiben hir zu finden, umb zu erfahren, wie es mitt Amelise stehet; den weillen Ihr mir, liebe Louisse, alle woch schreibt undt nichts von Eweren augen sagt, hoffe ich, daß Ihr ganz courirt werdet sein. Ich habe hir nichts von Eüch bekommen dieße woche, allein es wirdt vielleicht gehen, wie vor 8 tagen, da man mir Ewer liebes schreiben [vom] 5 dießes mondts erst sontag abendts geben hatt. Ich bin fro, darauß zu sehen, daß meine brieff auch richtig überkommen undt nicht verlohren werden. Ob ich schon viel zu schreiben habe, so könt Ihr doch woll gedencken, liebe Louise, daß ich Eüch undt Amelisse nicht vergeßen werde, Ihr seydt mir zu lieb dazu; wünsche von hertzen, daß es Eüch zum trost dinnen mag, aber ich kan leyder nichts tröstliches sagen. Daß ich Eüch lieb hab, ist nichts tröstliches; den daß ist ja gantz natürlich, weillen mir[1] von einem geblüdt sein undt Ihr beyde so tugendtsam seydt, daß ich mir selber unrecht thete undt von jederman vor ungerecht gehalten werden [würde], wen ich Eüch nicht lieb bette. Ich bin, gott seye danck, schon lengst vom husten quit undt in volkommener [095] gesundtheit, wünschte von hertzen, liebe Louisse, daß Amelise undt Ihr Eüch so woll, alß ich, befinden möget. Aber umb die warheit zu bekenen, so bin ich recht bang vor Amelise; den von einem solchen zustandt, wie der Eürige[2] ist, habe ich mein tag nicht gehört. Ich bin woll Ewerer meinung, daß in dießem leben nichts beßer, alß die gesundtheit, ist. Sagt mir doch, ich bitte Eüch, liebe Louise! wie heißen die docktoren Amelisse ihre kranckheit? Hatt man mehr exempel von einem solchen zustandt? Hir höre ich nichts dergleichen, kan leicht begreyffen, wie es Eüch zittern macht; eine liebe schwester so zu leyden sehen, daß ist etwaß abscheüliches. Sagt doch nicht mitt urlaub die füße! den daß helt man hir vor bürgerlich gesprochen; man sagt die füße, ohne mitt urlaub dazu zu setzen.[3] Amellisse hette Eüch andtworten konnen, alß wie einer hir, den ein monch im sterben zusprach, gedult zu haben; der andtwortete: Mon pere, rien n’est plus aissé, que de precher la patiance; mais mettes moy en vostre place avec une si bonne santé et soyes aussi malade que je suis! vous veres, si la patiance est aissée. Ambrassirt Amelisse von meinetwegen undt sagt ihr, daß, wen wünschen waß helffen konte, würde sie baldt gesundt sein! den ich von hertzen ihre geneßung wünsche. Amelisse ist gar zu demütig, meiner threnen nicht wehrt zu wollen sein. Allein sagt ihr, sie würde mir einen großen gefahlen thun, mir die threnen zu verwehren durch ihre perfecte gesundtheit! Aber, liebe Louise, ich bitte Eüch, sagt mir alß die rechte warheit von ihrem standt! hoffe undt wünsche, daß Ihr beyde noch lange jahre leben möget undt unßerer tante von Maubuison alter erreichen.[4] Sterben, liebe Louisse, ist die letze sotisse, so man thun kan, also ahm besten, daß man auffschiebt undt es lange nicht thut, insonderheit wen man nutz in der welt, wie Ihr Ewern neuveus undt niepcen seidt. Weillen Ewer neuveu mich nicht kent, glaube ich, daß er wenig nach meiner abrobation fragt, allein er hatt sie gantz undt ich gebe seinem vatter alles unrecht.[5] Ob man zwar ein eintziger sohn ist, muß man doch kein lümel sein, undt unßer herrgott kan einem überal bewahren; die stundte sein ja gezehlt undt kan kein [096] haar vom haubt fallen ohne gottes willen, also ist es ja beßer, daß ein junger mensch, wie Ewer neuveux ist, sich im krieg undt im reißen capablirt, alß zu hauß zu sitzen undt nur gedencken ahn seinen stam vor[6] zu setzen undt kinder zu machen. In solchen occasionen ist es einem jungen menschen erlaubt, seinem vatter nicht so exact zu folgen, undt eine eschapée, umb im krig zu gehen, wirdt von jederman apropirt werden. Alle, die in krieg gehen, kommen nicht umb; aber solte daß unglück geschehen, so würde es von gott vorsehen sein, also nicht zu endern sein. Die weldt zu sehen, wirdt ihn nicht schaden, insonderheit nach Hannover zu [gehen], wo ihn ma tante mehr in einem mont ziehen [wird], alß er sein leben in Engellandt hetten gezogen konnen werden. Ich bin versichert, daß der duc de Chomberg, so böß er sich auch gestelt hatt, doch in der seelen fro ist, daß sein sohn dieße eschapée gethan undt daß er ihn davor estimirt. Wie viel döchter hatt der duc de Chomberg von Caroline? Habt nie sorg, daß ich Ewere schreiben zu lang finde! sie komen mir nicht zu lang vor. Aber ich gestehe, Amelisse zustandt macht mich bang, verlange sehr, wider neüe zeittung von ihr zu haben, hoffe noch, wie schon gesagt, auff morgen. Alleweill kompt mein sohn herein, sie blaudern mir den kopff so voll, daß ich nicht mehr weiß, waß ich sage, muß schließen; ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
Ich kan ohnmöglich mein brieff überleßen noch corigiren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. April 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 94–96
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0418.html
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