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Brief vom 27. April 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


419.


[096]
Versaille den 27 April 1709.
Hertzliebe Louisse, es ist letzmahl gangen, eben wie vor 14 tagen; den man hatt mir Ewer liebes schreiben vom 13 dießes mondts vergangenen montag gebracht, hoffe also, übermorgen wider eines zu bekommen; den ich sehe, daß die post nun zimblich richtig gehet. Mein gott, liebe Louise, wer nicht schreiben wolte, alß wen man waß artiges zu sagen bette, müste man bey itzigen [097] zeitten nie schreiben; den überal hört man ja nun nichts, alß von trübsahl undt ellendt, welches gar nichts artiges ist. Wen man einander aber so nahe ist, alß wir einander sein, schreibt man, umb zu wißen, wie man sich befindt undt wie man lebt. Erfährt man etwaß neües drüber, vertreibt es die zeit; findt man nichts neües, ist man doch zufrieden, weillen man eygendtlich daß nur begehrt zu wißen, waß ich schon gesagt habe; alß[1] seydt nie in keinen sorgen, mir waß neües oder artiges zu schreiben! Ich wünsche sehr, zu vernehmen, daß es mitt Amelisse beßerung bestandt mag haben. Von so einem zustandt habe ich woll mein leben nicht gehört, aber umb die warheit zu sagen, so ist mir bang dabey, daß es ein schlim endt nehmen mag; verlange sehr auff übermorgen, umb zu erfahren, ob die beßerung, wie ich es wünsche, continuirt hatt. Ihr werdt woll thun, nicht mehr mitt urlaub zu sagen.[2] Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch noch der alten fraw von Woltzogen erinert, die so blatt Wesphalings sprach undt von ihrem sohn Tondorf alß sagte: Mein sohn Hansjörck dey hefft einen grindt auff dat heübt gehatt, datt roche, met verloff, met verlöff, alß fühle käße. Da habe haben wir offt woll hertzlich über gelacht. Hir sagt man zu nichts mitt urlaub, alß in vexirerey. Ihr secht woll, daß es war ist, daß die kunst, spitze kirchthürn zu machen, abkommen ist, weillen man den von der heylligen-geist-kirch nicht so spitzig hatt machen konnen, alß der vorige war.[3] Ist die lutherische kirch in der vorstatt auch wider gebaut worden, die so hell undt artig war? Vor alters ist die closterkirch undt waß dabey allezeit ein closter geweßen. Sanct-Petters-kirch ist es nicht die, so so einen großen kirchhoff hatt hinter der kelter, wo der schloßberg ahnfengt? Ich bin nie drinen geweßen, aber von außen scheindt sie klein undt dunkel zu sein; glaube nicht, daß alle Reformirten, so zu Heydelberg sein, nein können. Ich mögte wünschen, daß Churpfaltz daß liebe schloß auch wider wolte zurecht machen laßen; es jammert mich recht, wüst zu bleiben. Docktor Brauner war nicht zu meiner zeit, glaub doch, daß ich den nahmen gehört hatte.[4] Ich glaub, daß dießer docktor woll der eintzige Reformirter ist, so ahn dusseldorfischen hoff in dinsten. [098] Wolte gott, mein bruder s. hette die zwey Schelmen alß Winckler undt Langhanß nicht bey sich gehabt! so were er noch im leben. Mein arme dochter ist so betrübt über ihr vierjarig dochtergen geweßen, alß wen sie alle ihre kinder verlohren hette. Mein dochter helt viel von der fürstin von Homburg. Ihr proces ist noch nicht außgemacht, solche sachen enden nicht so baldt. Herr Christoff von Degenfelt war nicht schon, hatte ein aug kleiner, alß daß ander; herr Ferdinant undt herr Max wahren schön, herr Hanibal war auch nicht heßlich. Printz Eugene hatt meritten undt verstand, ist aber klein undt heßlich von person, hatt die oberlefftzen so kurtz, daß er den mundt nie zuthun kan; man sicht also allezeit 2 große breyte zähn; die naß hatt er ein wenig auffgeschnupfft undt zimblich weitte naßlöcher, aber die augen nicht heßlich undt lebhafft.[5] Ich dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor die zeittungen undt alles, waß Ihr mir geschickt habt; allein daß Ittalliensche ist mir ohnnöhtig, den ich verstehe kein wordt davon. Man erwart heütte den courir, ob es krieg oder frieden geben solle. Gott bewahr, daß daß erste dawern möge! Den wen daß ist, wirdt mein sohn baldt weg. Der liebe frieden ist vor jederman zu wünschen. Gott der allmachtige wolle ihn verleyen! Ich weiß dißmahl gantz undt gar nichts neües, alß daß meines sohns gemahlin schwanger ist. Adieu! Ich ambrassire Eüch undt Amelise von hertzen, wünsche Eüch beyden eine volkomene gesundtheit undt versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Ich kan ohnmöglich mein schreiben überleßen, hoffe, Ihr werdt woll errahten, waß ich habe sagen wollen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. April 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 96–98
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0419.html
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