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Brief vom 18. Mai 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


422.


[102]
Versaille den 18 May 1709.
Hertzallerliebe Louise, ehe ich wieder von Marly weg bin, habe ich Ewern lieben brieff vom 4 dießes monts zu recht entpfangen. Wir seindt seyder vorgestern wider hir; bin fro, daß unßere brieffe nun so gar richtig gehen. Wolte gott, liebe Louisse, es stunde bey meine wünsche, Amelisse undt Eüch bey gesundtheit zu erhalten! so würde ich sie dermahßen verdoblen, daß Ihr hundert jahr auff wenigst gesundt undt vergnügt leben würdet. Gott gebe auch, daß Amelise beßerung bestandt haben möge! Ich bin nicht persuadirt, daß viellerley consultationen gutt sein; sie deügen zu nichts, alß nur zu ambarassiren, auch so, daß man nicht mehr weiß, waß man thun soll; den umb gar gelehrt zu scheinen, will alß ein jeder waß aparts sagen undt haben. Ich bin recht persuadirt, daß, wen man einen eintzigen gutten docktoren hatt, der [103] affectionirt ist undt aplicirt, daß den krancken viel beßer geholfen wirdt, alß durch vielle consultationen, da nur einer den andern ambarassirt. Aber ich kan auch woll begreiffen, daß, wen man sorg vor eine liebe krancke hatt, daß man sich nicht vorzuwerffen will haben, daß man daß geringste zu ihrer beßerung negligirt hatt. Gott gebe Eüch den trost, liebe Louise, Amelise baldt wider in volckommener gesundtheit zu sehen! Ich habe nie gewust, wie man Ewern neuveu heist, sehe aber auß einem von mademoiselle de Malause brieffen, daß man ihn mylord Arouische[1] heist, welches, wie mich deücht, gar ein wunderlicher nahme; die voyellen fehlen nicht drinen. Es ist leicht zu begreiffen, daß, wen man einen vatter hatt, wie Ewer schwager ist, daß man woll so gern auß dem hauß ist, alß drinen. Er kendt mich nicht, kan also wenig nach meiner aprobation fragen. Weillen vatter undt sohn nun woll mitt einander stehen, wirdt es dem vatter, glaube ich, nicht leydt sein, daß man ihn aprobirt in waß er woll thut. Wie ich sehe, so seindt die 3 schwestern einander in nichts gleich. Es ist kein eintziger fehler in Ewerm brieff, Ihr schreibt wie ein secretarius, gar eine schönne handt. In dießem augenblick bekomme ich Ewern lieben brieff vom 11 dießes monts, worauff ich heüte nicht andtworten kan; den ich gehe, ob gott will, morgen zum h. abendtmahl, muß mich also dazu bereytten; nur daß noch drauff, daß ich von hertzen fro bin, drauß zu vernehmen, daß Amelisse accident nicht wider kommen ist. Daß sie von nichts erbärmblichs kan hören, macht mich glauben, daß ein wenig mutterwehen mitt unterlauffen. Der duc de Bouillon hatt eine tante gehabt, vor dern dorffte man daß wort bludt nicht sagen; so baldt sie es hörte, fiel sie in convulsionen, ist derowegen lange zeit geweßen, das sie nicht hatt zum h. abendtmahl gehen können; sie war reformirt. Viel leütte haben gemeint, es were hecksenwerck, aber es war nichts alß mutterwehe. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch undt Amelisse von hertzen undt behalte Eüch beyde all mein leben sehr lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Mai 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 102–103
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0422.html
Änderungsstand:
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