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Versaille den 8 Juni 1709.
Hertzallerliebe Louisse, vor 8 tagen habe ich Ewern lieben
brieff von 25 May zu recht entpfangen undt heütte einen gar
frischen vom ersten dießes monts. Ich werde meine antwort bey
dießem ersten ahnfangen; habe ich noch zeit überig, werde ich
auch den vom 25 beantworten, wo nicht, so werde ich ihn vor
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einen andern tag sparen. Es ist mir recht lieb, daß unßer comerce
so woll eingericht, daß wir nun gar richtig alle woch zeittung von
einander haben; ich kan aber nicht begreifen, warumb meine brieff
4 tag lenger unterwegen sein, alß die Ewerigen. Ich bin recht
fro, daß die versicherungen meiner wahren sentiement vor Eüch
undt Amelisse Eüch beyden so ahngenehm geweßen sein; allein
mich deücht, daß Ihr daran nicht hettet zweyffeln sollen, den alle,
die Eüch kenen, dern estime gewindt Ihr beyde. Wie solt Ihr den
nicht meine freündtschafft haben, da Ihr mir doch so nahe seydt,
ich, die doch ordinarie nur meine landtsleütte liebe, will
geschweygen dan meines herr vatters kinder, den ich noch respectire undt
liebe undt ehre, ob I. G. s. gleich nicht mehr in der welt sein?
Aber waß ich ein mahl geliebet, liebe ich all mein leben. Es ist
mir recht von hertzen leydt, zu vernehmen, daß Amelise wider so
gar übel geweßen, undt es ist ein ellendt, daß man auff nichts von
ihrem beßersein bawen kan, weillen die accidenten alß wider
kommen undt noch mehr dazu; den die colique hatte sie noch nicht
gehabt. Ich meinte, daß pirlen, wen daß kompt, die leütte courirt.
Gott gebe, daß es sich so bey Amelise eintreffen mag! Ich bin
wie Ihr, liebe Louisse! Ich habe alß geglaubt, wie Ihr mir
Amelise kranckheit beschrieben, daß ein wenig mutterwehe mitt
unterleüfft. Worumb könte daß scharpffe geblüdt die mutter nicht
erregen, die voll davon ist, wen man pirlen bekompt? Mich deücht,
die docktoren raisoniren dißmahl nicht just. Mademoiselle de
Malause hatt mir eine große relation von ihr oncles endt geschickt,
so einen schönnen undt samfften todt gehabt hatt, auch recht
christlich gestorben. Ich glaube, daß dieße dame schon wirdt zufrieden
sein, durch Ewere niepce zu erfahren, wie großen part Ihr in ihren
verlust genohmen. Ihr habt groß recht, mitt Ewern schwachen
augen nicht gar viel zu schreiben. Die Frantzoßen haben mühe, die
nahmen, so ihnen frembt sein, recht zu schreiben. Ich fürchte
leyder, daß Ewer neveu nur gar zu lang den krieg sehen wirdt; den
nach allem ahnstalt nach kan es leyder kein frieden werden. Die
conditionen seindt eben nicht gantz, wie man Eüch die relation
davon auß dem Haag geschickt, aber woll so übel, alß es darin
undt wovor ich Eüch dancke, mir es geschickt zu haben. Ich bin
fro vor die arme Pfaltzer, daß Churpfaltz sich einmahl resolvirt
hatt, seine unterthanen beßer zu tractiren. Erfahrens die, so in
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Pensilvania gereist sein, werden sie schon wider kommen. Ich
wünsche von hertzen, daß der churfürst Eüch auch contentiren
möge. Daß ist woll gewiß, daß, wen ich so glücklich geweßen
were, ein mansmensch zu sein undt churfürst zu werden,
[1] daß Ihr
völlig contentement würdet gehabt haben undt meine unterthanen
auch. Die zeitten seindt zu schlim nun hir, umb daß ich in
meinem standt ein großes vergnügen haben könte, bin Eüch doch sehr
verobligirt, mir solches zu wünschen. Hiemitt ist Ewer letztes undt
liebes schreiben völlig beantwordet, ich komme auff daß erste. Ich
sehe, daß alle meine brieffe mitwochs ahnkommen. Waß solle ich
hir ahnfangen ? Alle junge leütte sowoll, alß die alten, lauffen der
faveur nach. Die Maintenon kan mich vor ihren todt nicht leyden,
die duchesse de Bourgogne hatt nur lieb, waß dieße dame lieb hatt.
Ich habe all mein bestes gethan, dießer almächtigen dame gnadt
zu erwerben, habe aber nicht dazu gelangen können, bin also von
alles außgeschloßen undt sehe den könig nur ahn taffel abendts.
Freylich muß ich hir nichts thun, alß waß andere wollen. Ich war
weniger gebunden, wie mein herr s. noch lebte, alß nun; ich darff
nicht außer Versaillen schlaffen ohne deß königs urlaub. Also secht
Ihr woll, daß ich nicht unrecht habe, mich bey Eüch in die liebe
Pfaltz zu wünschen, aber unßer herrgott will nicht, daß man in
dießer weldt völlig vergnügt sein soll. Amelisse undt Ihr habt die
freyheit, aber Ihr seydt ungesundt; ich bin in der sclaverey, aber
ich habe, gott seye
[2] danck, gar eine volkommene gesundtheit.
[3] Meint
Ihr, daß man hir nicht lamantiren hört? Nacht undt tag hört man
nichts anderst. Hir ist nun die hungernoht so violent, daß kinder
eins daß ander schon gefreßen haben; daß ist arger, alß einen
todtgeschlagen finden. Der könig ist hir so resolvirt, den krieg
fort zu führen, daß er heütte morgen alß sein goltservice, teller,
schüßel, saltzfaß, sume alles, waß er goltes hatt, in die müntz
geschickt, Louisdor davon zu müntzen.
[4] Es ist zeit, zum nachteßen
zu gehen, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen,
alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Ich kan mein brieff
nicht überleßen. Entschuldigt die fehler!