Seitenbanner

Brief vom 8. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


424.


[105]
Versaille den 8 Juni 1709.
Hertzallerliebe Louisse, vor 8 tagen habe ich Ewern lieben brieff von 25 May zu recht entpfangen undt heütte einen gar frischen vom ersten dießes monts. Ich werde meine antwort bey dießem ersten ahnfangen; habe ich noch zeit überig, werde ich auch den vom 25 beantworten, wo nicht, so werde ich ihn vor [106] einen andern tag sparen. Es ist mir recht lieb, daß unßer comerce so woll eingericht, daß wir nun gar richtig alle woch zeittung von einander haben; ich kan aber nicht begreifen, warumb meine brieff 4 tag lenger unterwegen sein, alß die Ewerigen. Ich bin recht fro, daß die versicherungen meiner wahren sentiement vor Eüch undt Amelisse Eüch beyden so ahngenehm geweßen sein; allein mich deücht, daß Ihr daran nicht hettet zweyffeln sollen, den alle, die Eüch kenen, dern estime gewindt Ihr beyde. Wie solt Ihr den nicht meine freündtschafft haben, da Ihr mir doch so nahe seydt, ich, die doch ordinarie nur meine landtsleütte liebe, will geschweygen dan meines herr vatters kinder, den ich noch respectire undt liebe undt ehre, ob I. G. s. gleich nicht mehr in der welt sein? Aber waß ich ein mahl geliebet, liebe ich all mein leben. Es ist mir recht von hertzen leydt, zu vernehmen, daß Amelise wider so gar übel geweßen, undt es ist ein ellendt, daß man auff nichts von ihrem beßersein bawen kan, weillen die accidenten alß wider kommen undt noch mehr dazu; den die colique hatte sie noch nicht gehabt. Ich meinte, daß pirlen, wen daß kompt, die leütte courirt. Gott gebe, daß es sich so bey Amelise eintreffen mag! Ich bin wie Ihr, liebe Louisse! Ich habe alß geglaubt, wie Ihr mir Amelise kranckheit beschrieben, daß ein wenig mutterwehe mitt unterleüfft. Worumb könte daß scharpffe geblüdt die mutter nicht erregen, die voll davon ist, wen man pirlen bekompt? Mich deücht, die docktoren raisoniren dißmahl nicht just. Mademoiselle de Malause hatt mir eine große relation von ihr oncles endt geschickt, so einen schönnen undt samfften todt gehabt hatt, auch recht christlich gestorben. Ich glaube, daß dieße dame schon wirdt zufrieden sein, durch Ewere niepce zu erfahren, wie großen part Ihr in ihren verlust genohmen. Ihr habt groß recht, mitt Ewern schwachen augen nicht gar viel zu schreiben. Die Frantzoßen haben mühe, die nahmen, so ihnen frembt sein, recht zu schreiben. Ich fürchte leyder, daß Ewer neveu nur gar zu lang den krieg sehen wirdt; den nach allem ahnstalt nach kan es leyder kein frieden werden. Die conditionen seindt eben nicht gantz, wie man Eüch die relation davon auß dem Haag geschickt, aber woll so übel, alß es darin undt wovor ich Eüch dancke, mir es geschickt zu haben. Ich bin fro vor die arme Pfaltzer, daß Churpfaltz sich einmahl resolvirt hatt, seine unterthanen beßer zu tractiren. Erfahrens die, so in [107] Pensilvania gereist sein, werden sie schon wider kommen. Ich wünsche von hertzen, daß der churfürst Eüch auch contentiren möge. Daß ist woll gewiß, daß, wen ich so glücklich geweßen were, ein mansmensch zu sein undt churfürst zu werden,[1] daß Ihr völlig contentement würdet gehabt haben undt meine unterthanen auch. Die zeitten seindt zu schlim nun hir, umb daß ich in meinem standt ein großes vergnügen haben könte, bin Eüch doch sehr verobligirt, mir solches zu wünschen. Hiemitt ist Ewer letztes undt liebes schreiben völlig beantwordet, ich komme auff daß erste. Ich sehe, daß alle meine brieffe mitwochs ahnkommen. Waß solle ich hir ahnfangen ? Alle junge leütte sowoll, alß die alten, lauffen der faveur nach. Die Maintenon kan mich vor ihren todt nicht leyden, die duchesse de Bourgogne hatt nur lieb, waß dieße dame lieb hatt. Ich habe all mein bestes gethan, dießer almächtigen dame gnadt zu erwerben, habe aber nicht dazu gelangen können, bin also von alles außgeschloßen undt sehe den könig nur ahn taffel abendts. Freylich muß ich hir nichts thun, alß waß andere wollen. Ich war weniger gebunden, wie mein herr s. noch lebte, alß nun; ich darff nicht außer Versaillen schlaffen ohne deß königs urlaub. Also secht Ihr woll, daß ich nicht unrecht habe, mich bey Eüch in die liebe Pfaltz zu wünschen, aber unßer herrgott will nicht, daß man in dießer weldt völlig vergnügt sein soll. Amelisse undt Ihr habt die freyheit, aber Ihr seydt ungesundt; ich bin in der sclaverey, aber ich habe, gott seye[2] danck, gar eine volkommene gesundtheit.[3] Meint Ihr, daß man hir nicht lamantiren hört? Nacht undt tag hört man nichts anderst. Hir ist nun die hungernoht so violent, daß kinder eins daß ander schon gefreßen haben; daß ist arger, alß einen todtgeschlagen finden. Der könig ist hir so resolvirt, den krieg fort zu führen, daß er heütte morgen alß sein goltservice, teller, schüßel, saltzfaß, sume alles, waß er goltes hatt, in die müntz geschickt, Louisdor davon zu müntzen.[4] Es ist zeit, zum nachteßen zu gehen, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Ich kan mein brieff nicht überleßen. Entschuldigt die fehler!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 105–107
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0424.html
Änderungsstand:
Tintenfass