Seitenbanner

Brief vom 14. September 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


438.


[126]
Versaille den 14 September 1709.
Hertzliebe Louisse, wie mein brieff vor 8 tagen schon in ma tante paquet fortgeschickt war, entpfing ich den Ewerigen vom 31 August. Es ist kein wunder, daß Ihr alle post ein schreiben von mir bekompt; ich habe Eüch ja recht ernstlich versprochen, alle woch zu schreiben, liebe Louisse, undt werde jetzt weniger, alß nie, manquiren, weillen Ihr mich versichert, daß meine, ob zwar zimblich albere, schreiben Eüch doch zu einigem trost dinnet. Ich habe dieße woche nichts von Eüch entpfangen; daß macht mich hoffen, daß Ihr nun auff Ewerer reiße nach Hannover begriffen seydt undt Eüch also woll befindt. Gott erhalte Eüch lange jahre dabey! Ich kan leicht begreiffen, wie Ihr die nacht passirt. Ich weiß leyder nur zu woll, waß so hertzliche betrübtnuß verursachen können. Ich hoffe, daß die gewiße versicherung, so Ihr durch Amelisse gar guttes undt fromes leben habt, daß sie in dem ewigen [127] freüden bey unßerm herrgott, Eüch trösten wirdt. Ich will Eüch aber weitter nicht von Amelisse s. sprechen, den daß macht Eüch nur ahn Ewern verlust gedencken. Ihr werdet nun viel cammeraden in betrübtnuß haben, den vor 4 tagen haben die unßerigen eine schlagt, bey Mons verlohren,[1] haben sich aber dießmahl erschrecklich gewehrt, also sein gar viel leütte umbkommen auff beyden [seiten]. Man sicht nichts, alß trawerigkeit undt threnen. Madame Dangeau, die ein geborn freüllen von Lewenstein ist,[2] hatt ihren eintzigen sohn abscheülich verwundt. Man hatt ihm einen schenckel nahe bey dem bauch abgeschnitten, man weiß noch nicht, ob er davon wirdt kommen oder nicht. Ich fürcht, daß sie eben ahnkommen, wen er sterben wirdt.[3] Die arme dame ist in einem standt, der zu erbarmen ist; die härtesten haben sie nicht ohne trenen sehen konnen. Ich hoffe, daß mein letztes schreiben undt Ihr mitt einander nach Hannover kommen werdet. Ich [128] begreiffe gar woll, wie Ihr gern undt ungern von Heydelberg gehet. Die cronprintzes wirdt woll nicht gar lang zu Hernhaussen bleiben, also werdet Ihr doch wider woll logirt sein. Mich deücht, dießer herbst ist schir wermer, alß der sommer geweßen, insonderheit den letzten mondt. Wen Ihr in chaissen getragen werdet, kan Eüch die nachtlufft nicht schaden. Daß ist woll war, daß in dießer weldt nichts volkommenes zu finden ist. Es wirdt ma tante, unßere liebe churfürstin, erfrewen, ihre enckelen bey sich zu haben, undt nichts ist gesunders, alß freüden, undt trawerigkeit ist ein wahres gifft. Daß ist ordinarie, daß die Franciscener possirlich predigen. Vom patter Abraham[4] habe ich nie nichts gehört. Ich fürchte, daß die fraw von Degenfelt einen von ihren kindern auch mögte in dießer schlagt verlohren haben. Es ist abscheülich hart auff bey den seytten abgangen. Das hertz ist mir gantz [schwer] von allen betrübten leütten, so ich sehe, undt von alle bekandten, so umbkommen sein. Daß ist arger, alß eine rohte ruhr, woran die landtgraffin von Darmstat gestorben. Sie seindt den in doppelter trawer ahn dem hoff, den sie werden schon ohne zweyffel vor die verwitibte churfürstin zu Pfaltz getrawert haben. Man könte dießen zwey fürstinen daß alte veau de ville singen:
Dans la rüe de la Tournelle
Un coup de foudre est tombés;
Il n’a pas casses de cervelle,
Car il n’en a point trouvés.
Den sie hatten nicht viel hirn. Ich erinere mich der alten churfürstin zu Pfaltz noch gar perfect. Ich habe sie zu Heydelberg gesehen, wie sie noch hertzogin von Neüburg war; hatte dolle sprichwörtter. Wen sie verwundert über waß war, sagte sie alß: Ey, daß dich der hanhack! undt ihren herrn küste sie vor alle menschen undt hieß ihn mein angelli. Von welchem hauß war die fraw mutter von jetzigen landtgraffen? Ich erinere michs nicht mehr, von welchem hauß sie war, glaube doch, daß es ein printzes von Saxsengotha war. Ich kan nicht begreiffen, wie man nicht betrübt über seine mutter sein kan; wie sie auch sein mag, so hatt [129] sie doch viel vor unß gelitten, wie sie unß zur welt bracht hatt. Der Teütsche-meister muß seiner medaillen nicht gleichen; die seindt meinem armen bruder s. so gleich, daß ich gemeint, es were vor ihm selber gemacht worden. Ich dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor die gazetten; ich bitte Euch, mir sie ferner zu schicken, umb zu sehen, waß sie von der schlagt sagen werden. Ihr werdt nun wißen, daß es war ist, daß Mercy geschlagen,[5] aber die Ewerige haben ihre revange in Flandern gehabt. Ein gutter frieden were woll zu wünschen. Ich zweyffle, daß die sach von meinem schatzmeister ohne mein verlust ablaufen [wird]; den der schelm hatt gar gewiß mehr gestollen, alß er vermag.[6] Mein sohn bezahlt mir nicht einmahl, waß er mir geben solle, weit davon, daß er mir vorstrecken könte. Seine spanische campagnen, wo man ihm alles hatt manquiren laßen undt wo er alles mitt sein eygen gelt hatt erkauffen müßen, haben ihn recht ruinirt. Es ist abscheülich, waß mein sohn verthan hatt. Der könig hatt meinem sohn keinen heller geben, alleß reißen, campagne, belagerungen, alles ist auff seinen eygenen kosten gangen. So eine ellende undt erbärmliche zeit, wie wir nun [haben], habe ich mein leben nicht erlebt. Gott gebe, daß durch einen gutten frieden alles endern möge! Hiemitt ist Ewer schreiben vollig beantwortet, werde also nichts mehr sagen, alß daß ich wünsche, daß Ewere reiße möge glücklich abgeloffen sein, undt bitte Eüch, liebe Louisse, zu glauben, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
P. S.
Ich mißgönne Eüch daß glück mitt,[7] unßere liebe churfürstin auffzuwartten, aber wie gern mögte ich es mitt Eüch theyllen!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. September 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 126–129
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0438.html
Änderungsstand:
Tintenfass