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Brief vom 9. November 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


447.


[139]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Ghör.

Marly den 9 November 1709.
Hertzliebe Louise, gestern abendts, wie ich wider von St-Germain kamme, habe ich zwey von Eweren lieben schreiben in ein paquet entpfangen, worauff ich hiemitt andtworten werde. Ma tante, unßere liebe churfürstin, hatt mir schon in ihrem letzten schreiben, so ich vor dem gesterigen entpfangen, die beschreibung von dem schönnen palast zu der Ghör gethan. Es ist mir aber leydt, daß das wetter nicht so sanfft dort ist, alß hir; den wen daß were, konten I. L. braff im waldt spatziren. Ich weiß woll, waß advenüen sein. In Franckreich ist kein eintzig landthauß, so nicht avenuen hatt; da kan man ja auch woll in spatziren. Wie ich mir dießen ort einbilde, solte er ahngenehmer im Mayen sein, alß im herbst. Hir im landt hatt es nur gereifft undt gar nicht eiß gefrohren; wir haben aber kalte winde gehabt, wovon jederman husten undt schnupen bekommen. Ist es möglich, daß Ihr, liebe Louisse, nie keine parforce-jagt gesehen habt? Ich habe gewiß mehr alß taußendt hirsch fangen sehen, habe auch manchen braffen fall im jagen gethan. In 26 mahl, daß ich gefallen bin, habe ich mich nur ein eintzig mahl wehe gethan, undt dazu rente ich damahl nicht, ich fundt aber einen stein unter den ellenbogen, der mir den arm verenckte.[1] Bey allen andern fällen ist mir nicht der geringste schaden widerfahren; daß hatt mich so gehertzt renen machen. Deß churfürsten pferdt müßen gutte schenckel haben, den in den hügeln auff undt ab zu renen, fälldt man gar leicht. Solte daß wetter zu der Ghör werden, wie wir es seyder 9 tagen hir haben, glaube ich nicht, daß ma tante wirdt halten können, nicht in dem waldt zu spatziren. Wie kan der churfürst leyden, daß madame Sasdot [140] über Eüch sitzt?[2] Vergist er den, daß Ihr geschwister-kindt mitt ihm seydt, eine reichsgräffin? Undt madame Sastot ist ja nur eine simple dame undt gar keine gräffin. Wen sie den hoffmeisterinen solchen rang geben wolten, solten sie auch alle lautter reichsgräffinen zu hoffmeisterinen nehmen, so were nichts dagegen zu sagen. Der churfürst thut sich selber unrecht, wen er solche poßen ahnfengt. Solche pillen seindt hart zu verthawen, wünsche, daß Eüch dergleichen nicht offt kommen möge. Gestern sahe ich einen herrn, den ich lengst gern gesehen hette, weillen ich so gar viel von ihm gehört hatte, nehmblich Churbayren. I. L. seindt gantz incognito hir, wollen weder vissitten geben noch entpfangen. Er jammert mich recht, den er sicht betrübt auß. Ob I. L. zwar incognito sein, so hatt ihn doch unßer könig neben sich in den rollwagen gesetzt, wie er I. L. den garten gewießen. Ich bin recht fro, zu vernehmen, daß unßere liebe churfürstin so gesundt ist. Gott der allmächtige erhalte I. L. lange jahren dabey! Wir haben heütte morgen gar eine schönne, aber gar kurtze jagt gehabt, der hirsch hatt nur 3/4 stundt gewehrt. Man hatt ihn ins waßer gefangen, er hatt gejamert, wie ihn die hundt erseüfft haben. Die posten gehen bitter unrichtig, aber alle sontagspost werdet Ihr gewiß ein schreiben von mir zu erwartten haben. Es ist nun schon ein zeit lang, daß ich, gott lob, nichts gar betrübtes gehört habe, also wider guttes muhts. Ich will nicht andtworten auff den todt,[3] den daß macht Eüch zu viel ahn trawerige sachen gedencken, habe also weyder nichts auff Ewer zweytes schreiben zu sagen, liebe Louisse, alß daß wir in einer halben stundt in die mussiq gehen, welches alte leyern sein, den man singt nur die alten operaen von Lully;[4] es geschicht mir offt, drüber einzuschlaffen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louisse, undt behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. November 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 139–140
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0447.html
Änderungsstand:
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