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Brief vom 16. November 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


448.


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Versaille den 16 November 1709.
Hertzliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 2 November zu recht erhalten. Seyder dießen nachmittags seindt wir wieder hir. Es ist mir recht leydt, daß Ewere arme augen wider so übel geweßen sein, undt waß mir noch ahm üblesten dran gefehlt, ist, daß, wen man meint, daß Ihr wider gantz gesundt seydt, so kompt es wider. Ihr müst Eüch aber, wo es möglich ist, nicht betrüben noch chagriniren, den nichts ist schlimmer vor augenwehe. Es ist leicht zu glauben, daß Eüch daß hertz noch schwer ist. Trösten kan man sich nicht, aber man muß sich distractionen geben undt, so zu sagen, sich selber betriegen; die zeit thut daß überige. Es ist, wie ich sehe, jetzt alß die mode, daß meine paqueten über taffel kommen. Die paquetten bleiben nirgendts liegen, alß zu Paris. Man macht sich eine lust, mich mitt den brieffen zu zergen, aber es ist kein mittel undt nicht zu endern; also müßen wir nur zufrieden sein, wen unßere brieffe nicht gar verlohren werden. Die postleütte seindt ahm wenigsten schuldt hiran, weytter kan ich hirauff nichts sagen. Ihr habt groß recht, nicht beym licht zu schreiben; nichts ist schlimmer vor die augen, alß bey dem licht zu schreiben, davor müst Ihr Eüch allezeit vor hütten, lieben Louisse! Ich sehe, daß Ihr bey ehrbare herrn ahn taffel geseßen; so ernstliche geselschafften seindt nicht capabel, die trawerigkeit zu vertreiben. Ich hatte keine mühe, zu errahten, daß der cronprintz von Preüssen zu Hannover oder zu der Ghör sein müste; den waß solten I. L. in der armée weyder gethan haben, da Mons über undt die armeen sich zertheyllet hatten? Undt sie hatten ahm hanoverischen hoff einen starcken magnet, so ich woll gedacht I. L. geschwindt würde eyllen machen. Es ist mir recht lieb, daß mein ahndencken dießen ahngenehmen undt hohen gar nicht zuwider geweßen undt sie beyde mein compliment so gar güttig ahngenohmen haben; sehe auch darauß, liebe Louise, daß ich mein compliment in gutten händen gethan, den Ihr es habt so woll endtpfangen machen. Der cronprintz ist noch jung genung, zu waxsen. Wen man ein temperament hatt, fett zu werden, mag man auch thun, waß man will, so bleibt man fett. Es ist doch hofflich ahm [142] cronprintz, daß er Eüch besucht hatt. Er ist aber noch zu jung, umb so gar stämig zu sein. Es ist loblich ahn die cronprintzes, daß I. L. so beständig in ihrer freündtschafft sein undt die abweßenheit Eüch nichts von ihrer freündtschafft hatt verliehren machen. Ma tante sagt mir kein wordt von ihrem husten undt ich werde auch nicht thun, alß wen ich etwaß davon wüste. Der husten macht allezeit übel außsehen; wen er aber nicht zu lang wehrt, ist er nicht schlim, den es purgirt viel böße humoren; wen man nur nachts woll schläfft, kan der husten nicht schaden. Ich kene niemandts, so dießen herbst nicht husten undt schnupen gehabt hatt; der könig in Engellandt undt mein sohn seindt noch gar vest dran. Daß könt ich ma tante nicht nachthun, volant zu spiellen. Ich sage von hertzen amen auff alle gutte wünsche, so Ihr vor ma tante, unßer lieben fraw churfürstin, leben, stärcke undt gesundtheit thut. Ich habe nur 2 Fücks zu Heydelberg zu meiner zeit gekendt, nehmblich den Sejanus[1] undt seinen älsten bruder, so vor dießem undt wie mein bruder s. noch ein kindt war, sein erster cammerdinner geweßen. Diß jahr undt vergangen winter seindt alle nußbäum hir im landt erfrohren. Sagt mir doch, ob die von der Bergstraß auch erfrohren sein! Es ist mir leydt, daß man daß arme Friderichsburg so verracht undt nicht wider in seinem rechten standt bringen will. Zu meiner zeit hatte Ewere fraw mutter kein ander hauß, alß daß holtzerne schwedische hauß, so vor den ersten bavillon stundt, aber ich kan nicht glauben, daß, wen Ihr Churpfaltz klagen solte, daß die mongen Eüch Ewer hauß genohmen, daß er Eüch nicht solte recht schaffen; aber eins ist war, daß pfaffen nehmen, wo sie können, undt sich nicht viel bekümmern, wembs gehört oder nicht. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt sage nichts mehr, alß daß ich Eüch eine gutte nacht wünsche undt bitte, zu glauben, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. November 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 141–142
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0448.html
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