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Brief vom 23. November 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


449.


[142]
Versaille den 23 November 1709.
Hertzallerliebe Louisse, gestern habe ich erst Ewern lieben [143] brieff vom 9 dießes monts erhalten, aber man muß sich nicht drüber beklagen; es ist viel, daß sie nicht gar verlohren werden. Vor dießem wahren sie nie älter, alß 8 tag auffs högst; nun muß ich sie vor frisch halten, wen sie, wie dießer letzte, nur 12 tag alt werden; aber weillen man doch allezeit auff meine brieffe liegen[1] will, deücht mir, haben sie nicht von nohten, selbige zu leßen; auch thut mans nur, umb mich zu plagen, weillen man woll weiß, daß mich sonst nichts verdrießen kan, waß man auch mitt mir ahnfangen mag. Es ist mir recht leydt, daß Ewere augen wider schlim sein; es nimbt mich aber kein wunder, den weinen hatt den augen nie gutt gethan, insonderheit wen es so lang wehret. Kopff- undt magenwehe gehen offt zusamen, aber viel brauchen ist sehr ungesundt; man muß die natur ein wenig gewehren laßen, waß die nicht außricht, wirdt schwerlich durch remedien geholfen. Ich habe woll gedacht, daß bey dem schönnen sanfften wetter unßere liebe churfürstin daß spatziren gehen nicht enthalten würde; aber daß gar spatte eßen halte ich nicht vor gesundt, den der apetit wirdt zu starck, man überladt den magen. Es wundert mich nicht, daß ma tante meine schreiben ahn taffel bekompt, weillen sie so gar spät eßen. Es were mir recht leydt, daß Ihr mir ahm licht schreiben woltet, liebe Louise! Den nichts ist schlimmer vor die augen. Ich will viel lieber nur einen gar kleinen brieff von Eüch haben, alß daß Ihr Eüch ahn den augen schaden möget; den ich finde sterben nicht so schlim, alß blindt werden. Gott bewahre Eüch gnädig davor! Es ist recht löblich ahn die cronprintzes, so ein gutt gemühte zu habe[n] undt ihre gutte freündinen lieb zu behalten; kan woll begreiffen, daß Eüch diß muß touchirt haben, aber ich wolte gern, daß Eüch nichts könte weinen machen; den nichts ist schlimmer vor die augen, alß weinen. Von hir kan ich Eüch nicht viel neües sagen, liebe Louisse! Churbayrn ist, gott lob, seyder vergangen mitwog wider weg. Ich gestehe, daß es mich geschmertzt hatt, einen churfürsten zu sehen, wie der hir war, undt ahn einem ort, wo er einen schwager undt zwey neveu hatt, mitt keinem zu eßen, noch keiner die mühe genohmen, ihm Versaillen zu weißen, noch Meudon; daß hatt mich recht choquirt. Den ersten tag ging es gar woll hin, der könig machts recht gutt, aber hernach [144] ging [es] warlich schlegt her, aber es ist, gott lob, zum endt. Wir haben gar nichts neües. Ich habe hir mein enckel mitt 3 oder 4 junge buben, die spillen spilger undt machen mich recht lachen, den sie spillen recht von hertzens grundt; daß erinert mich ahn meine junge jahren. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
P. S.
Ich bitte Eüch, liebe Louisse, macht mein compliment ahn I. L. dem churfürsten, churprintz undt churprintzes über die gebuhrt von dem kleinen printzesgen! Könte vielleicht einmahl meinen enckel bekommen; sie haben sich nichts vorzuwerfen, ihre angen[2] seindt gleich.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. November 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 142–144
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0449.html
Änderungsstand:
Tintenfass