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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 30 November 1709.
Hertzliebe Louisse, ich habe heütte ein schreiben von ma tante
entpfangen vom 12 dießes monts, es war aber keines von den Ewerigen
dabey. Daß macht mich förchten, daß Ewere augen wider schlim
sein, welches mir woll von hertzen leydt were. Solte, da gott vor
seye, dießes übel continuiren, so könt Ihr ja woll jemandts dictiren,
damitt ich doch Ewern standt erfahren moge, liebe Louisse! Den ich
bin recht in sorgen vor Eüch. Von hir kan ich Eüch nicht viel
neües berichten. Die comedien haben wider ahngefangen, montag
spilte man Phedre undt Crispin musicien, mittwog Democrittte
undt gestern Cinna mitt dem Baron de la Crasse.
[1] 2 marechalle
de France hetten beynahe einen schlegten scene gespilt, welches
mir sehr leydt geweßen, den ich estimire sie beyde. Es ist der
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marechal d’Harcourt and Bouffler. Ein leichter schlag hatt sie
gerührt;
[2] man meint doch, daß sie beyde davon kommen werden.
Den ersten hatt man l’emetique geben, aber die zung ist ihm ein
wenig verlähmt; den andern hatt man zur ader gelaßen, den er
schlafft immer ein. Waß soll ich nun weitter guts sagen? Ich
habe alleweill threnen gelacht. Ich glaube nicht, daß mir in 8
jahren widerfahren, so hertzlich zu lachen. Eine gar stämige dame,
die marechalle de Clerembeau,
[3] were schir ins fewer gefahlen, ist
so poßirlich über einen von meinen hündtger gestolbert, daß ich
mein leben nichts poßirliche[r]s gesehen habe. Madame de
Chasteautier hatt sie bey dem arm erwischt undt erhalten, sie hatt sich gar
nicht wehe gethan. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß
ich Eüch von hertzen lieb behalte!