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Brief vom 7. Dezember 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


451.


[145]
Versaille den 7 December 1709.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen dinstag habe ich Ewer schreiben vom 19 November zu recht entpfangen, dancke Eüch sehr, daß Ihr so groß mittleyden mitt meinem husten vor mich gehabt hatt. Der ist aber nun, gott lob, lengst vorbey, mögte aber bey dießem frost woll wider kommen; den es frirt gar starck seyder 3 tagen, alle bassin von den brunen vor meine fenster seindt hart zugefrohren, wirdt man gewiß morgen auff schridtschue gehen können. Der husten ist mehr alß eine jahrliche kranckheit bey mir, den ich bezahle dießen tribut woll 3 oder 4mahl in einem winter. Etwaß, daß wunderlich ahn mir ist, ist, daß so baldt der nordtwindt bläst, fange ich ahn, zu husten, solte es auch im vollen sommer sein; kompt ein anderer windt, hört mein husten kurtz auff. Sonsten bin ich gar nicht kräncklich undt ich glaube, daß ich so gesundt bin, weillen ich mein leben kein remedium auß precotion [genommen]; den ich sehe hir, alle die, so auß precotion burgiren undt aderlaßen, seindt alle delicatter undt kräncklicher, alß ich. [146] Die allmächtige fraw[1] traut mir nicht, den sie hatt mir all ihr leben zuwider gelebt. Zn meines herrn zeitten hatten seine favoritten sie gewohnen, welche alß geförcht, ich mögte dem könig klagen, wie sie meinen herrn s. plünterten undt mir viel zu leydt thaten undt sonsten dolle leben führten. Drumb gewahnen sie dieße mitt trawen, machten ihr bang, sagten, sie wüsten ihr leben undt woltens, wo sie nicht vor ihnen sein würde, alles dem könig sagen; den ich habe ihre treüung durch die dame selber, aber nicht, über waß man sie getrewet, von sie selber erfahren undt durch deß chevallier de Loraine freünde erfahren, waß sie gesagt hatten. Also hatt sie mich all ihr leben verfolgt, traut mir also kein haar, meint, ich seye so vindicaf,[2] wie sie, welches ich doch gar nicht bin; aber diß seindt die ursachen, warumb sie mich von konig abhelt.[3] Dazu hatt sich noch eine andere ursach geschlagen, nehmblich die liebe, so sie vor die duchesse de Bourgogne hatt, undt fürcht, weillen der könig gar keinen widerwillen gegen mir hatt undt mein natürlicher humor I. M. nie mißfallen, so fürcht sie, daß, wie sie woll weiß, daß ich den könig sehr respectire undt liebe, also eher mich bey ihm attachiren könte in meinem alter, alß eine junge printzes, wie die duchesse de Bourgogne ist, also dieße bey dem könig außstechen konte. Derowegen muß sie mich abhalten undt daß thut sie auch durch alle weiß undt wege undt daß ist nicht zu endern; bedinten, noch raports thun hirin nichts, wie Ihr selber leicht urtheillen könt, liebe Louisse, weillen es gantz ein andere sach ist. Daß ist alles, waß ich vor dießmahl auff dießem text sagen werde, komme jetzt auff die reiß von der Ghör, höre recht mitt freüden, daß unßere liebe churfürstin sie so glücklich undt woll volbracht undt ohne mühe; daß ist ein zeichen, daß I. L. noch viel starcke haben. Ich lehne mich auch nie in der kutsch ahn; ahnlehnen fatigirt mehr, man fühlt alle chocs mehr, wan man sich ahnlehnt, alß wen man sich strack helt. Es wundert [mich], daß ma tante 2 herrn söhn nicht die reiße mitt I. L. gethan haben undt vorher apart weg sein. Haben sie vielleicht die post zu pferdt gerendt, daß sie eher ahnkommen sein? Monsieur Bullaw ist lang genung hoffmarchalck geweßen, umb zu [147] wißen, waß woll tractiren ist. Ich weiß gar woll, waß Eüch übel gemacht hatt, liebe Louisse! Eine erschreckliche lange betrübtnuß, lange fatiguen, so Ihr bey Amelisse s. krancheit außgestanden, worauff die reiß nach Hannover gefolgt, daß hatt Eüch abgematt undt verursachet, daß Ihr Eüch durch daß lange fahren übel gefunden habt; diß ist keine hexerey, sonder gar naturlich. Mein miltz würde eine solche fahrt woll bekommen, aber meines sohns gemahlin ist so grob schwanger, daß ich mich nicht ein augenblick endtfernen kan. Ich fürchte, wir werden nur ein medgen bekommen, den die duchesse d’Orlean ist immer kranck. Biß mitwog trit sie in ihrem 10 mont, kan also nicht viel weitter gehen. Wolte gott, sie konte unß wider einen buben geben, wie der ist, so sie schon hatt! Es ist gar ein artig kindt, ich habe es lieber, alß die 3 medger mitt einander. Über 8 tagen werde ich vielleicht sagen können, waß kommen wirdt sein. Ich wünsche, daß, wie Ihr noch jung seydt, daß Ewere stärcke wider kommen wirdt undt Ihr mitt der zeit daß hoffleben gewohnen werdet. Es ist mir leydt, liebe Louisse, daß Eüch die augen noch so wehe thun, aber Ihr thut woll, liebe Louisse, gleich auffhören zu schreiben, wen Ihr fühlt, daß Eüch die augen spanen; den da ist kein vexirerey mitt, nichts ist delicatter, alß daß aug. Wir haben vor dießmahl gar nichts neües hir, muß also schließen undt nur versichern, daß ich Eüch allezeit lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Dezember 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 145–147
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0451.html
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