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Brief vom 14. Dezember 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


452.


[147]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 14 November[1] 1709.
Hertzallerliebe Louisse, vergangen dinstag habe ich Ewer schreiben vom 29 November entpfangen, habe aber wegen der jagt, so wir vergangenen donnerstag gehabt, nicht drauff andtwortten konnen, komme also wieder auff meinen ordinarie tag. Ehe ich aber auff Ewer schreiben andtworte, muß ich Eüch sagen, daß unß madame la duchesse d’Orleans[2] ein 5tes dochtergen daher [148] gesetzt hatt. Daß arme kindt ist so bitter übel von jederman entpfangen worden, daß es mich gantz gejammert hatt. Man heist sie mademoiselle de Monpensier, sie ist ein recht schön kindt, groß undt starck; es ist woll schadt, daß es kein printz ist. Ihre fraw mutter ist 40 stundt lang kranck geweßen, hatt unß alle braff wachen machen. Aber es ist auch zeit, liebe Louise, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Es ist mir recht leydt, zu vernehmen, daß Ewere arme augen wider schlim geweßen sein. Wen Ewere augen gleich waß beßer sein, so soltet Ihr mir doch nicht mitt eygener handt schreiben, sondern nur Ewern brieff dictiren; den lang auff daß weiß vom papir zu sehen, ist capabel, den fluß zu vermehren undt Ewere augen zu schwächen. Ihr soltet nicht mitt eygener handt schreiben, biß Ihr Ewere augen gantz wider recht fühlen mögt undt ohne die accidenten, so Eüch ordinarie zu kommen pflegen. Mein tag deß lebens habe ich von solchem zustandt nicht gehört, aber der gelehrte augendocktor monsieur Gendron sagt, daß er dergleichen gesehen hatt, meint auch, daß, wen er Eüch sehen konte, daß er Eüch couriren würde. Ob Ihr mir gleich nicht schreiben köntet, so würde ich Eüch nicht desto weniger, wie ichs Eüch, liebe Louise, versprochen habe, alle sambstag berichten, wie es umb mich stehet; also last Eüch diß kein ahnliegen sein! Zu Hannover werdet Ihr woll jemandts finden, dem Ihr dicktiren könnt, biß Ihr wider gantz geneßen sein werdet. Daß Ihr blöde augen [habt], ist mir hertzlich leydt, es ist aber keine ursach, umb auffzuhören, Eüch lieb zu haben; contrarie, wen man die leütte lieb hatt, so attandrirt man sich noch vor ihre unglück undt schmertzen, oder man müst gar ein boßen gemühte haben, so ich, gott lob, nicht habe; hette mich schir offendirt, daß Ihr mich bitt, nicht auffzuhören, Eüch zu lieben, ich hette schir gefragt, ob Ewer wenig schreiben verhindert, daß wir einen herr vatter gehabt haben undt Ihr Eüch alle zeit Eweres leben tugendtsam undt woll gouvernirt undt gehalten habt. Oh, wens daß hindert, so werde [ich] gewiß auffhoren, Eüch zu lieben; den daß seindt die ursachen, warumb ich Eüch lieb habe. Oder macht es, daß Ihr mich hast undt nicht mehr lieb habt? Den daß wehre noch eine ursach, umb auffzuhören, freündtschafft undt amitié vor Eüch zu haben; aber so lang Ihr alles bey Eüch befindt, so ich hir genent, könt Ihr gar gewiß versichert sein, daß ich nicht vor Eüch endern kan noch will. [149] Ich muß gestehen, daß ich nicht gewohnen kan, zu sehen, wie unßere teütsche fürsten alle geworden sein undt waß man täglich höret. Ich glaube, daß alle raison, vernunfft, generositet, politesse nach Moscovien gereist ist. Man [hört] nirgendts mehr von dergleichen, alß dort. Wer es recht nehmen will, so ist es woll war, wie [die] arme Amelise s. zu sagen pflegte, daß alles eytel ist; jedoch so hatt unßer herrgott in der weldt stende gesetzt, so bleiben solten. Die cronprintzes muß einen gerechten sin haben, vor Eüch gegen ihre madame de Sastot zu sein; daß gibt mir recht gutte opinion von I. L. Gott seye danck, daß unßere liebe churfürstin in gutter gesundtheit ist, undt erhalte I. L. viel undt lange jahren dabey! Ich befinde mich, gott sey danck, in volkommener gesundtheit. Mein miltz wolte woll wider ein wenig ahnfangen, mich zu plagen, weillen ich wegen daß schlime wetter lang habe einsitzen müßen undt kein exercitzien gethan, aber die zwey hirschjagten, so wir hir gethan, alß nehmblich vorgestern undt heütte, haben mich gantz wider zurecht gebracht. Sonsten haben wir nichts neües hir. Heütte über 8 tag werden wir wider nach Versaille. Wo ich auch sein mag, so werde ich Eüch doch, hertzliebe Louisse, von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Dezember 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 147–149
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0452.html
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