Seitenbanner

Brief vom 15. Februar 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


461.


[161]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hanover.

Versaille den 15 Februarie 1710, umb 10 morgendts.
Hertzliebe Louise, ich komme jetzt eben von der duchesse de Bourgogne, die zwischen 8 undt ein virtel auff 9 ins kindtbett von einem printzen gekommen ist, so man den duc Danjou[1] heist. Sie ist geschwindt nieder kommen, nur eine stundt in kindtsnöhten geweßen, aber sie hatt greülich gelitten; den daß kindt war übel gethrehet, kam mitt dem hindern in die gebuhrt, man hatt daß kindt bey die füßger heraußgezogen. Aber es ist auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme, liebe Louisse! Es würde mich [162] gar nicht verdrießen, wen Ihr mir zweymahl die woch schreiben soltet, contrarie; ich würde aber nur einmahl andtwortten konnen, weillen ich die zwey posten alß auff einmahl entpfange; den die posten gehen gottsjämerlich übel, meine brieffe nur, andere gehen woll. Ich werde mein leben nicht so weit bringen, alß es ma tante, gott lob undt danck, bringt; den ich habe schon keinen ahtem mehr, wen ich nur 20 schrit ein wenig starck gehe, muß ich keichen; daß macht nicht gar lang leben. Daß setzt mich aber in gar keine sorgen, werde mein parthie baldt faßen, wens dran kommen wirdt Es stehet in Alceste: Ce sont les douceur de la vie qui font les horeurs du trespas, undt wie ich deren nicht gar heüffig habe noch gehabt habe, werde ich desto leichter mein paquet vor dieße lange reiße machen können. Ich finde mein enckel so delicat, daß ich nicht glauben kan, daß er lang leben wirdt. Er ist zwar groß vor sein alter, aber sonst in alles schwach undt delicat. Die kinder seindt artiger in meinem sin, wen sie ein wenig kopisch sein; es ist ein zeichen von verstandt. Die churprintzes hatt recht, im den kopff in der ersten jugendt zu brechen undt nicht zu leyden, daß er sein schwestergen nicht schlegt; sondern sie caressiren machen. Ich habe meinen sohn klein mein leben keine maulschel geben, ich habe ihn aber so braff mitt der ruhte gestrichen, daß er sichs noch erinert; maulschellen seindt gefahrlich, indem es dem kopff schadtlich sein kan. Wie man mir die redoutte beschreibt, muß es doch eine große freüde vor junge leütte sein, so dantzen undt verkleyden lieben. Zu Heydelberg liebte ich dießes alles sehr, aber hir hatt man mirs braff verleydt, auch so, daß ich gar keine lust mehr drinen finden konte, wen mein alter mir erlaubte, noch bey dergleichen zeitvertreib undt divertissementen zu sein. Langsame spiller machen recht ungedultig undt lange weill. Ich wünsche von hertzen, daß ma tante sich recht lustig zu Braunsweig machen möge undt daß Ihr auch dort von Ewer betrübtnuß mögt distrairt werden. Distraction undt lange zeit können allein solche wunde negst gott heyllen, solche schmertzen laßen sich lang fühlen undt es stehet nicht bey dem willen. Churpfaltz ist possirlich, wen er Eüch auff mich will schicken. Hatt er mir den Ewere gütter geben, daß ich davor andtwortten solle? Besitzt er sie nicht alle? Zu dem so hatt er die mühe nicht zu nehmen, unß gelt zu schicken, den wir halten die sententz von [163] Rom vor ungerecht undt haben sie nicht ahngenohmen. Mein sohn bleibt noch in seiner pretention, welches sich mitt der zeit wirdt wider finden können. Bey dem könig ist leyder jetzt nichts zu vordern; man bezahlt mich selber nur in zettel, die man im December gibt, da krigt man, undt mitt mühe, gelt von im Mayen. Da Ewere augen wider schlim sein, hettet Ihr, liebe Louisse, nicht so viel schreiben sollen; den schreiben ist gewiß nicht gutt vor die augen. Ich schreibe Eüch heütte, den dießen abendt haben wir commedie undt morgen habe ich viel ahn ma tante zu schreiben, man muß auch abendts in kirch undt ich habe auch ahn mein dochter zu schreiben morgen. Hirmitt ist Ewer brieff völlig beantwortet, bleibt mir also nur überig, zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Februar 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 161–163
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0461.html
Änderungsstand:
Tintenfass