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Brief vom 8. März 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


465.


[166]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Versaille den 8 Mertz 1710.
Hertzliebe Louise, ich komme hiemitt, mein wort zu halten undt auff Ewer schreiben, so ich vergangenen montag entpfangen, zu andtworten. Ich habe heütte wider ein schreiben von ma tante bekommen vom 24 Februar, worinen sie mir bericht, daß sie, gott lob, gar woll geschlaffen; also hoffe ich, daß der husten baldt wider vergehen wirdt, den wen man schlaffen kan, vergeht er baldt, hoffe also, durch die erste brieff zu vernehmen, daß ma tante wider gesundt ist. Aber waß mich in sorgen setzt, ist, daß ich förchte, daß ma tante die erbprintzes von Wolffenbüttel besuchen wirdt, so die kinderblattern hatt, undt nichts ist gefährlicher. Gott wolle sie gnädig behütten! Sagt man jetzt ahn statt pressentz audientzkammer? Daß könte ich nicht verstehen. Zu meiner zeit sagte man nur die pressentz.[2] Alles ist geendert, seyder ich nicht mehr [167] in Teütschlandt bin, biß auff die wörtter, wie ich hirauß sehe. Wen die krancken lustig seindt, ist es ein gutt zeichen. Wie ich sehe, so helt der churfürst selten hoff, weillen man so nach ma tante verlangt. Aber churprintz undt churprintzes halten die auch keinen hoff? Das ist ja wunderlich. Ich glaube, es ist waß wider die höffe in der lufft, den überal kompt es ab; hir weiß man gar nicht mehr, waß es ist. Daß späte eßen bin ich nun gewont, aber ich glaube, daß alle meine erste kranckheitten davon gekommen sein, so ich in Franckreich gehabt habe. Hir ist man umb 1 uhr zu mittag undt umb 10, auch offt umb ein viertel auff 11 zu nacht, aber man ist nie ein gantze stundt ahn taffel; man spricht kein wordt ahn taffel. Wen ich mitt geselschafft eße, bleib ich woll etlich mahl eine gutte stundt ahn taffel, aber mehr nicht, aber man ist allezeit gar serieux undt nie nichts lustiges. Hir seindt die pagen ins königs cammer, sie dinnen weder hir noch zu Marly ahn taffel. Wen ich nicht allein eßen, dinnen sie ahn taffel, undt bey madame d’Orleans auch. Weillen Ewer aug noch nicht woll ist, soltet Ihr nicht so viel geschrieben haben, Ihr hettet dictiren sollen, liebe Louisse! Seyder vergangen donnerstag ist nichts neües hir vorgangen. Adieu! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. März 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 166–167
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0465.html
Änderungsstand:
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