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Brief vom 20. März 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


467.


[168]

A mad. Louise, raugrafin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 20 Mertz 1710.
Hertzliebe Louisse, ich hoffe, daß das so gar schönne wetter Ewere augen stercken wirdt undt hindern, daß nicht mehr flüße drauff fallen mögen; aber habt acht, daß zu viellen schreiben Ewere augen nicht zu viel aplicirt! Were hir im landt jemandts im hauß kranck, were jederman weg. Mich verlangt, zu horen, ob nach enderung deß monts niemandts erdapt wirdt worden sein; den alßden weist es sich erst auß. Mein vetter, der junge printz von Hessen Cassel, hatt woll groß recht, dieße heßliche kranckheit [zu] scheüen, sie ist arger alß die pest; den in der pest stirbt man geschwindt oder ist geschwindt courirt, aber die kinderblattern seindt lang daß sie schmertzen undt man ist lang daß leben nicht sicher. Ich bin bang, mein schönner vetter, so sie so gefürcht, wirdt sie wider erdapt haben. Ich weiß leütte, so es 6 mahl gehabt haben. [169] Sein feldtscherer hatt woll gethan (ich rede von meinen jüngsten vettern), ihm waß gegen die einbildung einzugeben; sonsten aber ist nichts beßer, dieße kranckheit zu verhütten, alß, wens einen übel umbs hertz ist, einen trunk puren wein zu thun. Mein gott, wie glücklich seindt die, so ihre brüder noch haben undt sie sehen können, wen sie wollen! Dieße reflection ist zu betrübt, last unß von waß anderst reden! Ich bin gantz betrübt, daß es kein frieden. Die cleresey (ich glaube, so heist man, waß man hir le clerge heist) hatt den konig gestern mitt einer schönnen harangen ein artig pressent bracht, 27 taußendt millionen.[1] Es ist woll schadt, daß dießes nur vor den heßlichen krieg sein solle. Wen man die comissairen hette horen wollen, hette man auch von meiner sach gesprochen. Wen es bey mir gestanden were, hett ich gewiß den accord von Franckfort eingangen, aber hir hatt eine fraw keine macht, sie seye den von ihrem man geschieden; sonsten thut le maistre de la communeauté alles undt Monsieur hatt es nie erlauben wollen. Erstlich dorffte ich nur eine sach sagen, umb eine abschlagige andtwort zu bekommen; daß kam aber nicht vom herrn, sondern von die bursch, so umb ihn war. Ich wolte auch nicht, daß man die sach nach Rom schickt, sondern daß es im reich solte gericht [werden], aber Monsieur s. hatt nicht gewolt. Warumb soltet Ihr ahm churfürsten zu Pfaltz renonciren, wen er Eüch nichts zu geben hette? Es ist schimpflich, waß er ahn Eüch thut. Wehre ich churfürst, thete ich Eüch gewiß keine schimpfliche propossitionen, sondern wolte Eüch erweißen, daß ich Eüch recht lieb habe.
Ich schreibe in großer eylle, den ich muß in commedie. Daß ma tante offt übel außsicht, setzt mich recht in sorgen. Gott gebe, daß es beßer mag werden!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. März 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 168–169
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0467.html
Änderungsstand:
Tintenfass