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Versaille den 17 April 1710.
Hertzliebe Louisse, ich will Eüch lieber nun schreiben undt daß
Ihr mein schreiben spät entpfangen möget, alß Eüch ohne meine
schreiben zu laßen, undt will es geraht nach Franckfort adressiren.
Weillen Ihr woll vergangen jahr meine schreiben dort entpfangen
habt, so werdet Ihr auch woll dießes entpfangen können. Soltet
Ihr zu Franckfort noch von dem Nürnberger pflaster bekommen
können, würdet Ihr mir einen großen gefahlen erweißen, ein par
schachtelger noch davon zu schicken.
[1] Im überigen wünsche ich,
daß Ewer vergleich nach Ewer vergnügen undt contentement
außschlagen. Ich kan leicht begreiffen, daß es Eüch leydt ist, ma
tante, unßere liebe churfürstin, zu quittiren; ich habe auch keine
mühe, zu errahten, daß Eüch sonsten nichts zu Hannover attachirt,
wie ich von dem hoff reden höre. Deß churfürsten humor kene
ich, aber wer mich in dießem fall recht betrogen hatt, daß ist
hertzog Ernst August; von dem hette ichs anderst gemeint, er war
lustig undt artig, wie er hir war. Ihr habt recht, 27 millionen
habe ich sagen wollen, daß le clergé ahm könig gibt.
[2] Die
geistlichen seindt reich hir, daß ertzbischtum von Rheims allein tregt
65 taußendt francken ein, es seindt noch viel so. Der keyßer ist
nicht souverain von gantz Teütschlandt, wie der könig über
Frankreich hir ist, also kan es nicht so gehen. Wir horen hir nichts,
alß von krieg undt kriegsgeschrey, welches mir woll von hertzen
leydt; den ich wünsche den frieden. Wen Ihr mir gezwungen
schreiben soltet, köntet Ihr mir entschuldigung machen, aber
naturlich zu reden, braucht keine entschuldigung, liebe Louise! den daß
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gefelt. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde ich
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all mein leben lieb behalten.