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Brief vom 10. Mai 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


473.


[176]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 10 May 1710.
Hertzallerliebe Louise, vor zwey tagen habe ich Ewern lieben brieff vom 19 April zu recht erhalten, war aber lang unterwegen geweßen, 18 tag; es ist doch beßer, alß gar keine zeitung von einander zu haben. Es wundert mich nicht, daß Ihr den meinen, so ich geradt auff Franckfort adressirt, noch nicht entpfangen hattet. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, schreibt mir doch, welche eher ahnkommen, ich will sagen, welche lenger unterwegen sein, die, so ich über Hannover geschickt, oder die, so ich geradt nach Franckfort adressire! so werde ich mich darnach richten. Ich beklage Eüch, liebe Louisse, so mitt processen zu thun zu haben; den in meinem sin ist es eine langweillige sach. Die hertzogin von Mecklenbourg, deß duc de Luxembourg schwester, schriebe mir einmahl von Paris: Vous aves, Madame, essayes tous les maux de la vie hors un, qui est des plus violents, qui est, d’avoir un proces et d’estre obligez a plaider. In Ewerer rückreiß werdet ihr beßere weg undt wetter haben. Ich wünsche, daß Ewer mediateur, der graff von Solms, alles zu Ewerm vergnügen möge außschlagen machen. Es wundert mich, daß eine printzessin von Mecklenbourg einen graffen von Stolberg geheüraht hatt; den die regirende königin von Denemarck ist eine princes von Mecklenbourg. Ich habe gehört, daß die graffen von Stolberg eben keine gar alte graffen sein. Weillen die gräffin von Schonburg nicht ist nach Franckfort, hette ihr ja auch woll Ewer reiße sparen können undt durch ambassade Ewer sch[w]agers proces führen laßen. Ich weiß nicht, wer die standtspersonnen geweßen sein, so diß jahr in die Franckforter meß kommen wahren. Mein dochter hatt ein groß mittleyden mitt der fürstin von Humburg. Ich bin froh, daß sie ihren proces gewunen, allein es war mir ohnmoglich, dießmahl vor sie zu solicittiren, weillen die confiscation von ihren güttern dem printz von Birckenfelt gegeben [177] worden, der mein freündt undt vetter, habe also gegen I. L. nicht solicittiren können. Man hatt viel exempel, liebe Louisse, daß die grobste leütte die delicatsten arbeit machen. Der baum mitt den voglen muß recht artig sein. Ewer neveu wirdt Eüch sorgen geben. Diß jahr wirdt es noch viel köpff kosten. Ich bitte Eüch, schreibt mir, waß noch mehr curieusses in der meß zu sehen ist! Ich fürchte, daß Ewere augen wider schlim sein, ob Ihr zwar nichts davon meldet, welches mir von hertzen leydt ist. Man hört hir nichts, alß trawerige sagen, von krieg undt kriegsgeschrey, von ellendt, von schlimme kranckheitten, schnelle todtsfall undt dergleichen. Umb mich alle die trawerige sagen auß dem kopff zu bringen, folge ich den könig fleißig auff der jagt, gehe auch zu fuß spatziren, so viel mein dicker wanst mir es erlauben kan. Vergangen dinstag fuhr ich nach St Clou, gestern nach St Germain, umb vom könig in Engellandt abschidt zu nehmen, so in 6 tagen in die armée wirdt zu feldt ziehen. Heütte werden wir zum 4ten mahl den hirsch jagen; daß ist alles, waß ich vor dießmahl weiß, undt daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 176–177
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0473.html
Änderungsstand:
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