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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Versaille den 21 Juni 1710.
Her[tz]allerliebe Louise, heütte habe ich einmahl einen gar
frischen brieff von Eüch entpfangen, den er ist ja nur 8 tag alt,
weillen Ihr vom 14 datirt. Ich könte meinen brieff wie Ihr den
Ewerigen ahnfangen; den es ist gewiß, daß, wen ich heütte gleich
kein schreiben von Eüch entpfangen hette, würde ich Eüch doch
geschrieben haben; den Ihr wist woll, daß ich Eüch alle sambstag
schreibe. Ich versichere Eüch nochmahln, daß herr Ferdinants
todt
[1] mir recht zu hertzen gangen, den ich habe ihn allezeit vor
meinen gutten freündt gehalten. Ich begreiffe gar leicht, wie Ihr
noch vor Ewer schwester in betrübtnuß seydt; den man kan nicht
vergeßen, wo man sein leben bey gewest ist, daß geblüdt lest sich
auch fühlen. Deß herrn Schor erinere ich mich gar nicht mehr.
War er auch zu meiner zeit, liebe Louisse? Weillen er aber so
gar nicht mitt Churpfaltz reussirt hatt, muß man nun hoffen, daß
ein ander beßer reussiren [werde]. Mir kompt es recht schimpfflich
vor, daß Churpfaltz Eüch daß Ewerige so zurück helt. Lenor hatt
mir schon geschrieben, daß ihr bruder, der Eberfritz, gestorben ist;
daß hatt mich auch gejammert wegen der uhralten kundtschafft.
Lenor ist recht von hertzen betrübt über ihren bruder. [Wenn] sie
aber übermorgen hir sein [wird], hoffe [ich], daß ich sie wider
auffmuntern werde. Es ist leicht zu begreiffen, daß Ihr deß
jegermeisters sohn nicht gegen ihm werdet gehetzt haben. Wie ist die
Gret nun so intrigant geworden, die leütte gegen einander zu
hetzen? Vor dießem ließe sie es bey den negsten bewenden. Wen
ich gleich davon hette reden hören, würde ich doch nicht geglaubt
haben, daß Ihr unrecht hettet. In dießem augenblick kommen so
viel leütte mitt meinem sohn herein, daß ich wider meinen willen
schließen muß. Ich hoffe, Ihr werdet meinen brieff endtpfangen
haben, worinen ich Eüch Mademoiselle, meines sohns elste dochter,
heüraht mitt dem duc de Berry bericht, welches nun baldt sein
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wirdt. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, liebe Louisse, daß
ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!