Seitenbanner

Brief vom 28. Juni 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


478.


[183]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 28 Juni 1710.
Hertzliebe Louisse, dieße post habe ich nichts von Eüch entpfangen. Ich fürchte, daß Ewere augen schuldt dran sein, welches mir von hertzen leydt were. Der courier mitt der dispense vor den duc de Bery undt mein enckel ist noch nicht ahnkommen, also ist unßere verlöbnuß, kinttauff undt beylager verschoben. Ich sehe es nicht gern, den es kompt ordinarie verhinderung darzwischen, wen man heüraht auffschiebt, wofür unß gott der allmachtige genädig behütten wolle! Vergangen dinstag aß ich zu gast bey madame d’Orleans in ihr schloßgen, so sie hatt bawen laßen; man heist es L’estoille. Es ist ein recht ahngenehmer ort, auff einer seytten ist es ein parterre mitt 2 boulingrin,[1] alles voller blumen, mitt alléen von maronie d’Inde umbringt undt ein großen potagé,[2] so dieffer ligt, alß daß parterre, also daß man oben von der mauer, welche blatt undt breydt ist, darauff kan man sitzen undt den gantzen patagé durch sehen, also sich alles drauß zu eßen geben laßen, waß man will. Auff der andern seytten deß hauß ist ein waldtgen, undt wen man in daß vestibulle tritt, sicht man gleich in einem dicken waldt 3 alléen a perte de veüe.[3] In der mitten von der mittelsten allée ist ein großer rundt, so man hir une estoille heist, undt da nimbt daß heüßgen seinen nahmen her. 10 alléen gehen dar auß, alß eine schönner, alß die ander. Daß heüßgen ist klein, aber sauber. Erstlich findt man, nachdem man 4 staffeln gestigen, ein vestibule mitt 4 fenster gegen einander über undt 2 große thuren, die auch wie fenster sein, undt 4 andere thuren ohne fenster. Zwischen den thuren seint taffeln von schönem marbel undt über [184] die taffeln 2 große gemähls. Daß zur rechten ist der könig, die königin s., so monsieur le Dauphin, wie er ein kindt war, auff dem schoß helt; die reine mere undt Monsieur s. seindt auch in dem stück. Gegenüber bin ich mitt meinen kindern, wie sie noch gantz klein undt ich jung war. Auff jede thur seindt kinder gemahlt. Der conte de Thoullouse,[4] madame d’Orleans jüngster bruder, wie er 5 jahr alt war, ist wie ein Amour, so schläfft undt auff den rücken licht. Gegenüber ist mein enckel, der duc de Chartre, so mitt ein fackel auch wie ein gott der liebe fligt. Auff der 3ten thur ist le comte d’Eux,[5] ihr neuveu, deß duc du Maine[6] zweyter sohn. Daß 4 contrefait ist deß duc du Maine elster sohn, auch in Amour. Auff der rechten handt ist ein cabinet lambrisses[7] mitt marbre-taffeln undt drüber spigel in goltene rahmen. In der zweyten kamer ist ein bett von gelben tuch, mitt weißen knopff brodirt undt voller eycheln undt festungs.[8] Auff jeder thur inwendig seindt contrefaitten, mein dochter, der hertzog von Lotheringen, alle ihre kinder, par undt par. Hinder dießen apartement seindt garderoben, zwey undt ein entresol. Auff der lincken seytten seindt auch zwey cammern, worinen madame d’Orleans kinder zwey undt zwey gemahlt sein, auch alles lambrissirt. Daß bett ist indianisch undt die stühl auch, die taffel ist von dem schönnen marbre, so man griotte[9] heist, unter einem spiegel. Hinter dießem apartement ist eine kleine gallerie undt zwey garderoben. Wen man ins holtz geht, ist auff der rechten ein heüßgen, wo die küchen seindt undt keller, wen man dort speist. So ist L’estoille, liebe Louisse, wo ich dinstag zu mittag geßen. Es war niemandts ahn taffel, alß mein sohn, seine gemahlin, sein elste dochter, unßere brautt, ihre hoffmeisterin, meine 3 damen undt madame d’Orleans dame d’atour undt ich. Biß 5 habe ich au papillon[10] spillen sehen, hernach bin ich biß umb 7 spatziren gangen, alßden wider in kutsch undt hieher. Wie ich ahnkommen, habe ich die fraw von Rathsamshaussen hir gefunden. Sie ist zwar noch sehr betrübt über ihren bruder; ich suche doch alles hervor, sie auffzumuntern, hatt doch gestern von hertzen gelacht. Es ist ihr leydt, daß ihr schwester Gret so närische [185] possen ahngefangen, aber sie gestehet selber, daß sie boßhafft ist. Alleweill kompt man mir sagen, daß Douay über ist. Mein gott, wie hohe zeit were es, daß wir den lieben frieden einmahl hetten! Wie bin ich deß kriegs so müde! Aber krieg oder frieden, so werde ich Eüch doch allezeit von hertzen lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Juni 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 183–185
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0478.html
Änderungsstand:
Tintenfass