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Brief vom 19. Juli 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


481.


[188]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 19 Julli 1710.
Hertzallerliebe Louise, in dießer wochen bin ich mitt zwey Ewern lieben schreiben erfrewet worden, eines vom 1, daß zweyte, undt so ich heütte bekommen, ist vom 8 dießes monts, werde also auff beyde hiemitt zugleich andtwortten, fange bey dem ersten ahn. Ich bin nicht weniger verwundert, alß Ihr, liebe Louise, daß unßere schreiben nun so richtig gehen. Aber setzt Eüch in keinen sorgen, umb mir waß artiges zu schreiben! Wen ich nur weiß, waß Ihr macht, ob Ihr gesundt seydt oder nicht, hernach höre ich auch gern [189] von alte bekanten. Wie ich gestern abendt dießen brieff ahngefangen hatte undt meinte, außzuschreiben, kame unßere duchesse de Berry herrein undt meins sohn gemahlin, nach dießer endtlich auch mein sohn, habe also auffhören müßen undt auff heütte verschieben. Ich komme, wo ich gestern geblieben war. Ich fürchte, liebe Louisse, daß Ihr zu starck gebett habt, daß keine schlagt werden solte; den ich glaube, daß es beßer vor unß geweßen were, wen man eine apropo geben hette, jedoch so jammern die gar sehr, so die ihrigen verliehren. Es were auch noch mehr zu wünschen, daß Ewer gebett gantz mögte erhöret worden sein undt der edle undt liebe frieden mögte gekommen sein; der ist aber leyder nun gar weydt weg, welches mir woll hertzlich leydt ist. Auß meinem letzten schreiben werdet Ihr, liebe Louisse, unßer beylager gesehen haben, so ohne ceremonien abgangen. Die englische princes undt unßer duc de Bery haben einander nie gar woll leyden konnen. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben völlig beantwortet, ich komme nun auff daß vom 8ten. Ich wünsche, daß, wen Ihr zu Hannover wider sein wirdt, daß unßere corespondentz so woll undt sicher gehen möge, alß sie zu Franckfort gangen. Ist es deß Gemingen von Michelfelts fraw, da Ihr mitt gespilt habt? Wens die ist, habe ich ihren man woll gekent; den er hatt mir einmahl zu Heydelberg vor hoffmeister auffgewahrt, wie monsieur Polier mitt Carllutz s. ins badt gereist war. Den nahmen von Spina erinere ich mich auch noch gar woll. Eine kleine Spina, so hernach starb, kam mitt mir spillen undt verzehlt mir märger, aber hoffdocktor habe ich niemandts gekendt, alß docktor Faust, docktor Israel undt docktor Winckler. Der Spina, deßen dochter zu mir kommen, war docktor in rechten. Man würde hir woll lachen, wer hören solte, daß Ihr von der printzes von Tarante hoffdocktor sprecht. Die gutte printzes war gar nicht nach ihrem standt geheüraht undt ihr herr noch kinder von keiner gebuhrt, einen hoff zu halten. Spina muß ein ehrlicher docktor sein, ihre unwißenheit so zu gestehen. Ich folg ihnen wenig, brauch mein leben schir nichts undt befinde mich gar woll dabey. Man sagt hir nicht mitt urlaub zu sprechen, umb eine ventousse[1] zu ziehen, daß ist ja nichts unsauberes; wünsche, daß es Eüch woll mag bekommen sein. Wer die docktoren ahnhören [190] will, muß immer waß zu brauchen haben. Ihr seydt woll gutt, Eüch so viel mühe undt arbeydt vor Ewers schwager affairen [zu] geben. Worumb helt er keinen homme d’affaire, so die sach führt? Daß Ihr aber gern zu Heydelberg wehret, kan ich leicht begreiffen, waßer undt lufft sein gutt dort. Wen Ihr nicht bey ma tante seydt, könt Ihr mir ja von niemandts in der weldt reden, von welchen ich lieber zeittung habe, alß von Eüch selber, undt darumb schreibe ich Eüch ja auch, liebe Louisse! Von L’estoille werde ich nichts mehr sagen, den ich muß mich eyllen, habe noch ahn meine dochter undt ihre kinder zu schreiben. Freüllen Charlotte oder vielmehr die fraw von Fehlen[2] schreibt eben, wie sie spricht, so mitt einem gezwungen wehßen ein wenig. Freüllen Anne Catharine oder die fraw von Wollmershaussen ist recht naturlich, hatt mir derowegen alß beßer gefahlen. Ich bin fro, daß ihnen beyden mein compliment undt mittleyden über ihre verlust ahngenehm geweßen. Ich wünsche von hertzen, daß Eüch Churpfaltz bezahlen mag, damitt Ihr zu Heydelberg bawen mögt; die lufft ist aber viel beßer ahm berg, alß in der statt. Solte die churfürstin zu Pfaltz sterben, solte der churfürst mein enckel auß Lotteringen nehmen, damitt daß die Pfaltz wider ahns rechte bludt käm. Ich glaub, daß es den gutten alten Pfältzern gefahlen solte. Ich wolte gern noch lenger blauttern, aber ich habe schon 21 bogen ahn ma tante geschrieben undt muß noch 4 oder 5 frantzosche brieff [schreiben]. Ein ander mahl werde ich Ewern brieff, so schon halb beantwortet ist, vollendts beantworten, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Juli 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 188–190
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0481.html
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