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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 27 Julli 1710.
Hertzallerliebe Louise, ich habe woll gethan, die helffte von
Ewerm lieben brieff vom 8 dießes monts zu sparen, den ich habe
in der vergangen wochen nichts von Eüch entpfangen. Ich bin
geblieben ahn dem, wo Ihr mir sagt, daß I. L. die churfürstin zu
Pfaltz die kinderblattern hatt. Solte dieße churfürstin zu sterben
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kommen, wolte ich, daß der churfürst mein enckel, die princes von
Lotheringen, auffs saltzfaß gesetzt würde. Ahn dießer were nicht
zu zweyfflen, daß sich noch daß alte churpfaltzische bludt finden
würde, undt solte die einen printzen bekomen, glaube ich, daß ihn
die unterthanen, Heydelberger undt Manheimer, woll so gern haben
solten, alß den jungen pfaltzgraffen von Sultzbach, so artig er auch
sein mag. Ich kene die Montlesun undt Lostange.
[1] Es seindt
zwey gar differente geschlechter, beyde seindt ins konigs leibquarde
officirer geweßen; Monlesun seindt all ihr leben catholisch geweßen,
die Lostangen aber seindt reformirt geweßen undt catholisch
worden. Der könig hatt woll zwey Monlesun pagen gehabt, einer starb
vergangen jahr, der ander ist exempt des gardes. Solche art leütte
deügen ordinari nichts, aber daß er übel reverentzen macht, wer
in jetzigen zeitten kein zeichen, daß er nicht von qualitet ist; den
die junge leütte piquiren sich nun, nichts zu wißen noch zu
können. Der junge Tonere,
[2] so einer von den besten heüßern ist,
macht die reverentz ärger, alß kein bawer, so hinter den pflug
geht. Nichts wißen, nichts können, unhofflich, plump sein, daß ist
die gantillesse von jetziger zeit. Von der historie, so der junge
cavalier Eüch verzehlt, weiß kein mensch hir nichts; es müste in
einer gar abgelegene provintz geschehen sein, wo deß königs pagen,
so lang sie pagen sein, nicht hin komen. Der könig vergibt keinen
düel, also sehe, daß die historie von einem endt zum andern
inventirt ist. Von keinen pfarher hatt er sich können unterrichten laßen,
es seindt keine mehr in Franckreich, undt solte jemandts noch
reformirt im hertzen sein, wirdt er sich ahn keinen munchen
vertrawen, also muß die historie von einem endt zum andern erdacht
sein. Es ist nichts verwegeners, alß ein verloffener pfaff, oder monch.
Die marquise de Richelieu ist auch eine feine dame, sie wirdt ohne
zweyffel den milord Albermale
[3] suchen. Habt Ihr sie gesehen,
so sagt mir doch, ob sie noch schön ist! Ich habe … mansleütte
erschrecken dieße dame nicht. Ich konte woll begreiffen, daß Ihr
alle die protzessachen vor Eüch selber führen mögtet, aber vor
Ewern schwager so viel verdrießliche protzes zu führen, daß kan
ich nicht begreiffen. Ich habe schon ein paquet auff Hannover
geschickt. Ich war kein kindt, wie ich von Heydelberg weg, erinere
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mich aber nicht, mein leben andere, alß adelliche, heüraht bey hoff
gesehen zu haben, aber Wolff war ja nur secretarius, konte also
daran nicht pretendiren. Lenor erinert sich eben so wenig, alß
ich, dießen heüraht gesehen zu haben. Ich thue mein best, Lenor
ihres bruders todt auß dem kopff zu bringen, allein es ligt ihr noch
zu zeitten schwer ahn. Ich mögts Eüch von hertzen wünschen,
daß Ihr so einen lustigen humor wie Lenor haben köntet; daß
macht, daß man lenger lebt undt gesundt bleibt. Der fürstin
von Homburg habe ich lengst geantwortet. Ich wünsche von hertzen,
daß der sauerbrunen die gutte fraw von Wollmershaussen föllig
geneßen mag.
[4] Wir haben hir gantz undt gar nichts neües; den daß
der könig auff die jagt, feldthüner zu schießen, geritten undt alle
junge bursch in die rulletten
[5] fahren, daß ist Eüch, liebe Louise,
wenig ahngelegen, undt sonsten weiß ich nichts. Ewer schreiben
ist auch vollig beantwortet, also bleibt mir nichts mehr über, alß
Eüch zu versichern, liebe Louisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen
lieb behalte.