[196]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 24 Augusti 1710.
Hertzallerliebe Louisse, dießen nachmittag habe ich Eüern
lieben brieff vom 15 dießes monts zu recht entpfangen. Ihr secht
woll durch meine fleißige andtwortten, wie ahngenehm Ewere
[197]
schreibben mir sein. Von Ewere betrübtnüßen will ich nichts mehr sagen,
so woll wegen arme Amelise alß Ewere niepce, den daß erneüert
nur die betrübtnuß, die doch zu nichts nicht hilfft, alß kranck zu
machen, womitt weder todten noch lebendigen gedint ist. Daß alles
von gott über unß verhengt ist, waß unß geschehen sol, ist woll
[gewis, und ich] kan nicht begreiffen, wie man es bestreitten [mag];
den man verspürts ahn sich selbsten undt ahn andere. Man kan
nichts gegen die enpfindtlichkeit lehrnen, liebe Louise! Daß muß
seinen gang haben, daß bringen wir mitt auff die weldt undt hört
nicht ehe auff, biß die seele vom leib scheidt. Es ist woll gethan,
nach dem ewigen leben zu trachten, allein sanct Paulus lernt ja,
daß es nicht ahn jemandts lauffen ligt, sondern daß die allein daß
ziehl erreichen, welchen gott es vorsehen hatt. Ich forchte, den
frieden nicht zu erleben undt kan nicht erdencken, wie er kommen
könte, glaube, daß es gott der allmächtige allein weiß, aber kein
mensch es errahten kan. Gott gebe es baldt! Daß hette ich woll
errahten, daß, wie ma tante, unßer liebe churfürstin, alle[i]n zu
Hernhaussen geblieben, daß sie dero enckel würde mitt sich eßen
machen. Mich wundert, daß der geistliche Ittalliener geistlich
erschienen, da er nach Hollandt undt Engellandt geht; den ordinarie
nehmen sie andere kleyder, thun gravatten undt degen ahn.
Weillen dieße Ittalliener so dicke kopff haben, könten sie eher vor
Lutteraner, alß catholische, [gelten]. Seyder gestern haben wir auch
zimlich kühle lufft hir; man meint doch, daß es die trauben noch
nicht verderben kan. Ich weiß woll, daß ahnstatt trauben hopffen
zu Hannover wacksen. Waß drinckt Ihr zu Hannover, bier oder
wein? Wie ich dort war, dranck ich minder bier, aber zuletzt ein
wenig puren wein, ist mir woll bekommen. Wir haben, seyder wir
hir sein, nehmblich seyder mitwogen, zwey schönne hirschjagten
gethan, ich in caleschen undt alle junge bursch zu pferdt. Mein
gott, wie alles endert! Vor dießem, wie ich noch jung war, hette
ich woll nicht erdencken konnen, daß ich ohne mühe reytten sehen
konte, wen ich nicht selber mitt reytten solte; nun frag ich kein
haar mehr darnach undt dencke kaum, daß ich mein leben geritten
habe. Es ist gar nichts neües hir, schließe also nur mitt dem alten,
daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte, liebe Louise!