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Versaille den 28 September 1710.
Hertzallerliebe Louise, ich bitte Eüch, liebe Louisse, endert
Ewern schreibtag, damitt ich Eüch lenger entreteniren mag, alß ich
sontags thun kan! Den sontags muß ich auch ahn mein dochter
schreiben, daß macht mich allezeit eyllen. Sie ist nun in vollen
freüden, weillen ihr schwager, der bischoff von Osnabrück,
coadjoutter von Trier geworden ist. Es wer woll waß rares, wen ruhe
in Englandt were; den so unruhige köpff seindt nicht in der welt,
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alß wie in Engellandt.
[1] Ihr habt groß recht, nauff zu unßer lieben
churfürstin gegangen [zu] sein. Den daß ist essentiellement der
hoffmeisterinen schuldigkeit, bey audientzen zu sein. Meine schreiben
seindt ordinarie nur andtwortten auff die Ewerigen, also dörfft Ihr
Eüch keine sorgen machen, nicht geantwortet zu haben. Es ist mir
schon genung, daß Eüch meine brieffe ahngenehm sein. Es ist mir
nicht leydt, daß ma tante nach Braunsweig oder Wolffenbüttel geht;
den daß wetter ist schön undt warm undt I. L. werden lust undt
verenderung dort haben, welches gutt vor daß leben undt
gesundtheit ist. Ich weiß hertzog Anthon Ulrich recht danck, Eüch so
hofflich eingeladen zu haben. Wer ist der Busch? Ist es Clamer
Busch oder der junge Busch, so hir geweßen undt der fraw von
Wey sohn ist? Ihr habt mir weder doll noch heßlich geschrieben.
Wolte gott, ich könte so schon schreiben! Wir haben gar nichts
neües hir. Es seindt viel damen kranck, aber weillen Ihr sie nicht
kendt, sage ich Eüch nichts davon. Adieu, liebe Louisse! Ich
ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch von hertzen lieb.
Weillen ich I. L. den erbprintz von Wolffenbüttel kene undt Ihr
woll dießen brieff dort entpfangen werdet, so bitte ich Eüch, I. L.
glück von meinetwegen zu seinem heüraht zu wünschen undt mein
compliment zu machen.