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Brief vom 16. Oktober 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


495.


[206]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 16 October 1710.
Hertzliebe Louise, vergangenen sontag habe ich zwar Ewer liebes schreiben vom 3 dießes mondts entpfangen, es war mir aber ohnmoglich, drauff zu andtwortten; den seyder meines secretaires todt, so vor 12 tagen gestorben, bin ich accablirt von brieffen undt affairen, den alle die so pretendiren, dieße charge zu haben, … Andere pretendiren, ich solle sie verkauffen undt ihnen gelt davon geben. Daß zicht mir alle tag ein menge brieff, daß nicht außzusprechen ist, undt weillen ich keinen secretarius habe, muß ich alles mitt eygener handt schreiben; daß wirdt aber nicht allezeit wehren. Unßere brieff hir kommen noch immer in 10 tag ahn, weillen ich Eweres vom 3 den 12 entpfangen habe, aber wie Ihr gar woll sagt, man muß zufrieden sein, daß keine verlohren werden. Vor dießem bekamme ich ma tante, unßer lieben churfürstin, paquet in 7 tagen, aber vor den frieden muß man daran nicht gedencken. Ihr seydt ja, liebe Louise, von gar keinem alter, graw zu sein. Vor 50 jahren wirdt man es ordinarie nicht. Man muß sich woll starck pudern, wenn man viel grawe haar hatt; daß puder stehet aber den blunten beßer, alß den braunen. Ich habe die gutte alte fraw von Harling zu Hannover lang ohne grawe haar gesehen. Man hatt viel exempel, daß leütte in Einer nacht vor angsten graw worden,[1] aber nicht ohne accident, wie monsieur Bullau widerfahren. [208] so zurück helt, daß gibt ihm keine ehre. Es wundert mich, wie Amelise nicht lenger gelebt hatt, da sie doch allezeit lustig war; aber die stunden seindt gezehlt, die übergeht man nicht. Ich bin versichert, daß Eüch die arme hertzogin von Hannover so woll alß mir von hertzen jammern wirdt, daß sie auch ihre fraw dochter, die hertzogin von Modene, verlohren hatt. Sie schreibt mir einen so betrübten brieff, daß ich recht habe drüber weinen müßen. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich muß nun in den salon, wo man den englischen hoff von St Germain entpfangen wirdt. Adieu den, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Oktober 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 206–208
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0495.html
Änderungsstand:
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