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Brief vom 29. Oktober 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


497.


[209]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, zu der Ghör.[1]

Versaille den 29 October 1710.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag habe ich Ewern lieben brieff vom 17 October zu recht erhalten. Ihr habt gar nicht übel gethan, mir dießen tag nehmblich zu schreiben; den Ihr werdet durch den meinen sehen, daß ich in sorgen war, so lange nichts von Eüch bekommen zu haben, undt weillen Ihr mir die erste reiß, so Ihr vergangen jahr zu Wolffenbüttel geweßen, geschrieben habt, konte ich nicht rahten, daß Ihr es dieß jahr keine zeit würdet haben. Ich hette vergangenen sontag gern auff Ewer schreiben geantwortet, ich habe es aber ohnmöglich thun können; den außer waß ich ahn ma tante geschrieben, habe ich noch 4 brieff nach Luneville undt 3 nach Paris schreiben müßen. Ich hatte viel affairen den tag gehabt; den den andern tag hatt sich mein neüer intendent undt secretaire des commandement eingestelt, umb seinen aydt abzulegen, habe derowegen alles dazu ordonniren müßen. Meine handt ist lengst wider heyll, die pommade divine fehlt solche schmertzen nie zu coregiren. Ich wolte lieber noch einmahl so wehe ahn der lincken handt haben; den es ist mir unleydtlich, wen ich nicht schreiben kan. Es freüdt mich recht, daß der[2] erpprintz von Wolffenbudel mein woll meinentes compliment so ahngenehm geweßen. Ich müste ein kurtz gedächtnuß haben, wen ich mich seiner nicht erinern solte. Ich glaube nicht, daß es über 3 jahren ist, daß ich I. L. hir gesehen habe, aber wen diß auch nicht were undt er nur hertzog Anthon Ulrichs sohn, würde ich mich doch vor I. L. interessiren. Ma tante, unßere liebe churfürstin, hatt mir nur so oben hin verzehlt, waß vorgangen, berufft sich auff ihres secretarius, monsieur Gargants,[3] relation, die ich noch nicht entpfangen habe. Aber man rufft mich, morgen werde ich dießen brieff außschreiben. Ich finde es vor ein recht glück, daß ma tante undt der gutte hertzog noch lust in waß nehmen, den daß ist gar gesundt. [210]
Donnerstag abendts umb halb 9 abendts den 30 October.
Ich habe heütte so viel interuptionen bekomen, daß ich schir gedacht, ich würde dießen brieff nicht außschreiben können. Ich habe heütte morgen ein gnädig schreiben von ma tante entpfangen. I. L. haben mir aber nicht die beschreibung geschickt, es muß noch nicht fertig sein. Die junge leütte itziger leütte[4] meinen, es seye nichts artigers, alß faull zu sein undt sich gleich beschwehren, wen man sie ein wenig gehen oder stehen macht. Daß war vor dießem der brauch nicht; man hilte faulheit vor ein laster. Waß ich glaube, daß, waß ma tante den husten undt schnupen verursachet, ist nicht die vielle bewegung, sondern daß sie in der nacht herumb gefahrn undt die illuminationen gesehen haben. Ma tante muß doch wider woll sein, weillen sie nun zu der Ghör sein. Es seindt so schonne exempel in den gazetten von leütten, so über hundert jahr gelebt, daß ich zu meinem trost hoffen will, daß I. L. es auch so weitt bringen werden. Wolffenbüttel, deücht mir, zieht alß daß lob nach sich, daß alle leütte dort so hofflich undt ahngenehm sein. Mich deücht, Ihr habt allezeit eher die freündtschafft von hohen, alß niederigen personnen. Biß sontag wirdt es schon 14 tag, daß ich die trawer vor die hertzogin von Modene ahngethan habe. Mich wundert, daß Ihr die hertzogin von Modene nie gesehen habt. Habt Ihr die keyßerin auch nicht gesehen? Ihr machts jetzt wie ich; wen jemandts stirbt, so man lobt, bin ich alß froh, es nicht gekandt zu haben. Die hertzogin von Modene jammert mich, allein ich habe allezeit die keyßerin ahm liebsten gehabt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben doch vollig beantwortet, bleibt mir also nur überig, Eüch von hertzen zu ambrassiren undt meiner wahren freündtschafft zu versichern.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Oktober 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 209–210
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0497.html
Änderungsstand:
Tintenfass