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Brief vom 13. November 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


499.


[212]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Göer.

Marly den 13 November 1710.
Hertzliebe Louisse, ich habe heütte nachmittag erst Ewern lieben brieff von 1 dießes monts entpfangen. Daß macht mich ein wenig wünschen, daß die reiße von der Göhrde mögte verkürtzt werden; den die brieff werden 3 tag alter, alß ordinarie. Ich habe noch nicht von meinem neüen secretarie proffitirt; den wie er zugleich auch mein intendant ist, hatt er gleich nach Montargis in meinem wittumb gemust, umb mein holtz zu verkauffen. Sein oncle, so mein beichtsvatter ist, schreibt vor ihm. Es ist ein groß glück, wen man trewe leütte findt; nichts ist rarer hir im landt. Dießen,[1] so ich nun habe, hatt gutte reputation; mitt der zeit werden wir sehen, waß dran ist. Ihr habt woll groß recht, liebe Louisse, zu glauben, daß es gar etwaß rares ist, leütte hir im lande zu finden, so nicht interessirt. Außer meine dame d’atour, madame de Chasteautier,[2] kene ich keinen eintzigen menschen, so es nicht ist. Die armuht thut es nicht, es ist den Frantzoßen ahngeboren, undt es kompt bey hoff auch viel von den schlimmen brauch, daß alles gekaufft wirdt, undt es ist erlaubt, auff sein gelt zu profittiren; daß macht alle leütte interessirt.[3] Umb dießes abzuschaffen, habe ich dießmahl meines secretarius charge nicht verkauffen laßen undt mitt dem beding geben, daß sie nicht solle verkaufft werden. [213] Meines schatzmeister charge habe ich auch nicht verkauffen laßen, sondern einem ehrlichen man in commission geben, hoffe also, daß es hinfüro beßer hergehen wirdt. Wen alle junge leütte graw solten werden, so boße kranckheitten gehabt, würden viel leütte in allen orten undt enden graw werden, den nichts ist gemeiner. Ihr werden aus meinem vor-8-tagigen schreiben ersehen haben, wie man hir so woll felt, alß zu der Gehör, undt welchen unerhörten schrecken mein sohn mir eingejagt. Er ist doch wider woll, gott lob! Monsieur Reden muß waß in der handt auß einander haben, daß er so großen schmertzen dran leydt. Ich erinere mich noch, daß ich woll von hertzen jagte undt große lust drin nahm, aber nun sage ich, wie im affenbuch[4] stehet: Och och och, thut man daß noch? Ohne etmahl[5] zu fahlen, kan man nicht gantze jahren durch jagen. Der dorffpfaff ist kein nar nicht, so kont ich auch woll prophezeyen. Er sicht, daß der churfürst immer jagt undt fehlt undt ma tante allezeit bey dem kalten wetter in die lufft [geht]; darauff richt er seine prophezeyung. Man kan woll leichte undt doch warme sachen tragen. Ich wünsche, daß die ahnkunfft undt abschiedt von cronprintz undt cronprintzes woll undt lustig abgehen möge. Hir haben wir nichts, alß trawerige zeittung. Daß gewäßer hatt die dame überschwembt undt unerhört viel schaden gethan, menschen undt vieh verseüfft. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. November 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 212–213
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0499.html
Änderungsstand:
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