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Brief vom 30. November 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


501.


[215]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Ghör.

Versaille den 30 November 1710.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag habe ich zwar Ewer liebes schreiben vom 15 entpfanngen, aber es war mir ohnmöglich, drauff zu antworten können; den alle augenblick wurde ich interompirt von die, so mich noch wegen meines verstauchten fuß besuchten, alß die, so gantz frisch auß den arméen kommen, undt [216] abendts umb 8 hatten wir commedie, habe es also biß auff heütte verschieben müßen. Gargants relation habe ich zwar entpfangen undt ich glaube, daß er sein best gethan hatt, sie auffzusetzen, allein er muß in Teütschlandt sein Frantzosch vergeßen haben; den es ist daß, waß er auffgesetzt, gar kein gutt Frantzösch ist. Man sagt hir nicht von furstlichen undt hohen personen monsieur son espoux undt madame son espousse, daß ist gantz bürgerlich. Wen er auch von den tafflen spricht, ambrouillirt er die sach, daß mans nicht begreiffen kan. Ich bin dem armen menschen doch verobligirt, so viel mühe vor mich genohmen zu haben; den seine relation ist gar lang, hette kürtzer sein können. Ich bin gewiß, daß Ihr es beßer undt netter würdet beschrieben haben. Die commedien haben hir seyder dinstag ahngefangen undt in der vergangen woche haben wir 3 mahl commedie gehabt, dinstag Cinna undt Les agioteurs, donnerstag Jodelet prince undt gestern Le comte d’Essex undt L’esprit de contrediction.[1] Ich sehe woll, liebe Louise, daß Ihr beßer zufrieden zur Ghör seydt, alß zu Hannover, undt ich mögte Eüch diß vergnügen undt viel andere von hertzen gönnen, wen nur die brieffe nicht so gar lang unter wegen wehren. Ihr werdet schon durch mein schreiben von Marly ersehen haben, daß mein sohn nicht glücklicher gejagt hatt, alß hertzog Ernst August. Ma tante weiß deß hertzogs fall woll, den I. L. haben mirs geschrieben. Daß goltpulver muß doch gutt sein, weillen I. L. hertzog E. A. so baldt wider woll worden. Der großfogt Bullaw ist daß nicht mein alter gutter freündt der Jochem Hennerich?[2] Ist er es, so bitte ich Eüch, grüst ihn doch von meinetwegen! Gegen 3 ist nicht spät von der jagt kommen, den zu Fontainebleau habe ich offt von 6 morgens biß 6 abendts gejagt.[3] Daß ist woll eine action von einer frantzoschen dame, sich nach dem eßen zu bett zu legen undt nicht wider auffzustehen, alß den andern tag. Wardt Ihr nicht zu Hannover, wie die verwitibte hertzogin mitt ihren beyden [217] dochtern dort war? Daß Ihr die keyßerin zu Heydelberg gesehen, erinere ich mich noch gar woll, aber ich hatte gemeint, daß Ihr sie vorher gekandt hattet. Daß man zu Heydelberg zur römischen königin handtkuß kommen, ist billig, aber der keyßer solte sich die handt von keiner damen küßen laßen, unßer könig leydt es von keiner damen. Ich habe die keyßerin auch all mein leben viel lieber gehabt, alß die hertzogin von Modene; der unterschiedt war groß unter beyden. Ich sage von hertzen amen auff den gutten wunsch, so Ihr der keyßerin thut. Ich dencke aber, so viel ich kan, undt kan die 4 konige undt 8 königinen nicht finden, so Ihr gesehen habt; ich finde nur 2 könige undt 3 königinen. Adieu! Es hatt schon 8 geschlagen, ich muß ahn mein dochter schreiben, nachdem ich Eüch versichert, liebe Louisse, daß ich [Euch] all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. November 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 215–217
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0501.html
Änderungsstand:
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