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Brief vom 10. Januar 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


508.


[226]

A mad. Louisse, raugraiffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 10 Januari 1711, umb ein viertel auff 9.
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick habe ich mich vom bal weg gestollen undt bin herein in meine cammer, umb auff Ewer liebes schreiben vom 29 December 1710 zu antwortten. Wist mirs gar keinen danck, liebe Louisse! Den ich kan den bal nicht leyden undt die stundt, so ich drinen habe sitzen müßen, hatt mir 3 stundt geschienen. Mein gott, wie ist daß frantzösche tantzen ein langweillige sach! Mir hats fapeurs[1] geben undt ich thue nichts, alß gahen.[2] Der englische hoff ist hir, aber [were] ich ein augenblick lenger blieben, were ich kranck worden; ich habe nohtwendigere weiße weg gemüst, komme aber auch einmahl auff Ewer liebes schreiben, liebe Louisse! Ambarassirt Eüch nicht mitt Ewern brieffen undt schreibt, wen Ihr wolt undt es Eüch ahm gemachlichsten sein wirdt! Madame de Bery ist noch nicht schwanger, sondern sie hatt sich den magen gantz verdorben, umb schmahl zu werden, undt daß ist doch nicht ahngangen, sie ist gar nicht schmahl. Ich will aber weyder nichts hirvon sagen, den sonsten müste ich sagen, daß die hoffmeisterin sie bitter übel erzogen, allein freyllen[3] willen gelaßen undt ein wildt pferdtgen auß sie gezogen, so man mitt mühe im zaum halten kan, undt alles thun, waß ihr umb[4] kopff kompt, daß gibt ihr jetzt mehr mühe, alß ich glaube, daß sie bey der hoffmeisterin lust gehabt hatt, ihren eygenen willen zu folgen, aber genung hirvon! Ich [meine], waydtmänisch sprechen lernt man im offten jagen. Daß ist woll wahr, daß es ein souverain medicin vor daß miltz ist, undt ich glaube, daß ich lengst todt were, wen ich nicht so offt gejagt hette. Daß ist gewiß, daß man in der miltzsucht sich selber helffen muß, undt distraction suchen hilfft mehr, alß alles, waß man sich selber oder andern mitt der grösten vernunfft predigen mögen. Nimbt man die trawer nicht wider zu Hannover vor den printz von Salm oder geht alles in ein? Ihr seydt noch zu jung, umb allezeit schwartz zu tragen. Schwartz [227] mitt herminen[5] tregt man hir nur in der trawer, ist sehr a la moden drüben im bal, die meisten seindt so gekleydt. Daß Christkindtgen, wie ich sehe, hatt Eüch englische spitzen bescherdt. Mein gott, wie habe ich mich vor dießem auff daß Christkindtgen gefrewet! Wen man alt wirdt, freüdt einem selten etwaß. Contrefaitten abfordern helt man vor keine betteley. Daß were nicht obligent geweßen, wen Ihr die cronprintzes gebetten hettet, daß sie Euch ihr contrefait nicht geben solle. Worinen solle dießes sie incommodiren konnen? Sie hatt ja die hülle undt die fülle. Es ist artig ahn dieße printzes, daß sie ihre gutte freünde nicht vergist undt beständig in ihrer freündtschafft bleibt; sie muß woll gezogen sein undt sentiementen haben, daß gleicht nicht ahn unßere jugendt hir. Worumb wolt Ihr abgeschmackt sein, liebe Louise? Bringt Eüch daß nicht im kopff! Alle große herrn seindt zu respectiren, aber lieb zu haben seindt nur die, so einem auch lieb haben. Waß gehts einem sonst ahn ? Die Ihr genent habt, seydt Ihr woll versichert, daß sie Eüch hertzlich lieb haben. Meine qualitetten konnen bey ma tante noch der chronprintzeß nicht kommen, ich piquire mich aber von gutten gemühte, daß muß meinen kurtzen verstandt ersetzen. Ich glaube nicht, daß ich noch gar lange jahr zu leben habe, ich werde gar zu unbeholffen. Ich wünsch mir den todt nicht undt scheü ihn auch nicht sonderlich;[6] weillen es eine gantze nohtwendige sache ist, muß man sich woll in den willen gottes ergeben, dancke Eüch sehr, liebe Louise, vor Ewere gutte wünsche. Wen Eüch widerfahren könte, waß ich Eüch von grundt meiner seelen wünsche, würde die miltzsucht baldt verschwinden undt Ihr gar lange jahren ein gesundes undt vergnügtes leben führen undt wir würden unß noch einmahl widersehen undt mündtlich versichern können, daß wir einander von hertzen lieb habe.
P. S.
Ich habe nicht manquirt, monsieur de Monasterol zu bitten, Churbayren, waß Ihr bey I. L. ersucht, in meinem nahmen zu recomandiren, welches er mir versprochen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Januar 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 226–227
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0508.html
Änderungsstand:
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