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Brief vom 19. März 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


516.


[236]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 19 Mertz 1711.
Hertzliebe Louisse, ich fürchte, ich werde Euch vor dießmahl nicht so eygendtlich auff Ewer 2 schreiben andtwortten können, alß es meine intention geweßen; den gestern wie ich nunder in die capelle ging, die fastenpredig zu hören, klitsche mir der fuß auff einen wüsten ticken tapackspeichel, daß ich auff die knie undt handt viel, habe mir nur wehe ahn der rechten handt gethan, habe die handt geschwollen. Es ist mir von grundt der seelen leydt, daß ich ma tante undt Eüch mitt meinen schreiben betrübet habe, aber just, waß ich habe expliciren wollen, daß man nicht meinen mögte, daß ich hipocondre werde, macht es ma tante glauben, daß ichs bin, muß selber drüber lachen. Ich glaube, daß mein kurtzer ahtem nur von winden kompt; den wen ich ein wenig starck gehe, gurgeln sie mir im halß, undt zu den winden ist kein raht. Ich ambitionire nicht ein gar großes alter, es macht zu viel leyden; ich scheüe schmertzen mehr, alß den todt. Unter hunderten findt man nicht 2, so so gesundt wie ma tante leben. Gott erhalte sie dabey noch viel undt lange jahren! Ihre schwester, die fraw abtißin von Maubisson, printzes Louisse,[1] hatt abscheülich 2 jahr vor ihrem todt gelitten, daß hatt mir keine lust zum hohen alter geben. Hertzliebe Louisse, ich sehe woll, daß Ihr dieß landt nicht kendt. Ich habe daß exempel ahn meines herrn s. tante, feu madame doariere,[2] gesehen, die muste zu Paris wie eine burgerin leben, kaum war sie von ihren leütten bedint. Ich habe kein hauß zu Paris, müste in meinem wittumb, wo ich von jederman würde verlaßen, keine person von qualitet würde mehr bey mir sein wollen; alle bedinten [237] lieben Paris, konnen nicht herauß noch von hoff, ich müste dort vor hunger undt durst verschmachten. Die man hir nicht sicht, die kendt man nicht mehr. Nein, daß kan mir niemandts rahten undt man verfolgt mich nur, umb mich dieße parthie zu nehmen machen, umb mich ellendt zu halten undt aller ecken leyden zu machen. Nein, daß todt[3] sich nicht; mein inclination drieb mich woll dazu, allein es lest sich nicht unterfangen. Nachdem ich es lang auff allerhandt manir betracht habe, so habe ich concluiren müßen, daß ich hir leben undt sterben muß. Vor alle gutte wünsche sage ich großen danck undt versichere Eüch, liebe Louise, daß, wen Eüch alles begegenen solte, waß ich Eüch von gantzer seelen wünsche, würdet Ihr weder in dießer undt jener welt nichts zu wünschen haben. Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe Eüch allezeit recht lieb.
Die meisten medaillen seindt antiq, es seindt nur etliche, die gegoßen sein.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. März 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 236–237
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0516.html
Änderungsstand:
Tintenfass