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Brief vom 5. April 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


518.


[239]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille Ostertag den 5 April 1711.
Hertzallerliebe Louisse, ich glaube, daß ein eigen poldergeistgen bestelt ist, umb mich ahn schreiben zu hindern;[1] heütte morgen undt nachmittag aber undt die gantze woche hatten mich die gar zu langen devotionen dran gehindert. Heütte seindt [wir] wider 4 gantzer stunden in der kirch geweßen, hernach bin ich zur duchesse de Vantadour,[2] umb ihr daß leydt zu klagen wegen ihrer schwester, der duchesse Daumont,[3] todt. Die ist in 4 tagen gesundt undt todt geweßen. Vergangen montag habe ich Ewer liebes schreiben [240] vom 23 Mertz entpfangen, woran ich doch meine andtwort ahnfangen; kan ich weyter kommen, so werde ich noch waß auff daß vom 13 [sagen], aber ich zweyffel dran. Ich bin fro, daß die ortenung von Ewerem hoff Eüch gefehlt; den daß ist ein zeichen, daß Ihr nichts widerliches habt, undt daß ist viel in dießer welt, wen man etliche tag in ruhe undt ohne widerwertige sachen zubringen kan. Gott erhalte Eüch diß vergnügen lang! Es were schadt, wen mein vetter, printz Wilhelm, lehrnen solte drucken werden; den er war gar artig undt hatte gar nichts trotzig ahn sich. Wen er so solte werde, fürchte ich, daß printz Eugenius ihm waß würde gelehrt haben, so er vorher nicht gewust, den die sein alle so. Artig ist es warlich nicht, man mag darvon sagen, waß man will. Mein ahtem ist kürtzer, alß nie, undt daß vielle knien in dießer carwoche ist meinen knien bitter übel bekommen. Man muß aber gedult haben. Ich thue nichts zu meinen knien, alß englische flanelle trag ich drauff; daß ist gemachlicher, alß geschmirs, undt solle gutt darfor sein. Meine docktoren consultire ich selten, gouvernire mich nach meinem kopff; zur precaution brauche ich mein leben nichts. Gott seye danck, daß I. L. unßere liebe churfürstin so frisch undt gesundt ist, undt halte I. L. lange jahren dabey! Ich wünsch es mehr vor ma tante, alß vor mich selber. Milch ist ma tante nie übel bekommen, ich eße sie gern auch, aber sie bekompt mir nicht woll. Ich nehme mein leben weder thé, caffé, noch chocolatte, habe mich ahn dieße frembte nahrungen [nicht] gewohnen konnen. Ich eße auch mein leben keine frantzösche ragoust, lautter schlegte speyßen, von einen gutten hamelschlegel, einen gutten schincken, rindtfleisch, gesotten undt gebratten, etlichmahl auch einen nierenbratten, sonst nichts; gebrattene hüner es ich auch woll undt eher, alß felthüner.[4] Aber es schlegt 9. Ich muß wider willen enden undt nichts sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. April 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 239–240
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0518.html
Änderungsstand:
Tintenfass