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Brief vom 9. April 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


519.


[241]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 9 April 1711.
Hertzallerliebe Louisse, dießen abendt hoffe einmahl einen brieff zu schreiben können, so ein wenig auff die art sein wirdt, wie ich sie Eüch gern schreibe, liebe Louisse, fange bey dem frischten ahn, so vom 27 Mertz ist. Ihr schreibt mir nicht, waß die Franckforter pillen kosten, den es ist nicht billig, daß alle commissionen, so ich Eüch gebe, alß auff Ewern kosten gehen sollen. Dancke nur vor die mühe, so Ihr drumb genohmen habt. Es ist eine poßirliche sach vorgestern mitt den pilullen geschehen. Ein maistre dautel[1] de quartier vom könig, der den cachou sehr liebt, aß bey den leütten zu nacht, vor welchen ich die pillulen gefordert hatte, hatte sie bey dem nachteßen in der handt. Der maistre dautel nach dem nachteßen meinte, gar schlau zu sein undt seinen freündt woll mitt seinem cachou zu ertapen, springt auff undt flucks mitt der handt in die Schachtel undt ertapt bey 20 pillulen, schluckt sie gescwindt alle auff einmahl. Der freündt erschrack, aber die sach war geschehen, es ist ihm doch nicht übel bekommen, hatt die nacht woll geschlaffen. Ich glaube aber doch, daß sein leckerhafftigkeit ihm wirdt bezahlt worden sein. Wen jedes so mitt handtfollen nimbt, wirdt der apotecker nicht zu viel geschickt haben. Ich brauch mein leben keine pilluln undt muß sehr kranck sein, wen ich einig remedium brauch, waß nahmen es auch haben mag.[2] Monsieur le Dauphin hatt auß precaution ader gelaßen undt purgirt, heütte ist er zu Meudon blatt ohnmächtig worden, hatt daß fieber mitt frost bekommen undt ist sehr schläfferig dabey. Wozu dint die precaution dan? Dancke Eüch, liebe Louisse, vor Ewere gutte wünsch vor meine gesundtheit, wünsche Eüch woll von hertzen deßgleichen. Ma tante, unßere liebe churfürstin, hatt nicht manquirt, mir landtgraff Wilhelms compliment zu machen, wovon ich sehr content bin undt I. L. sehr verobligirt. Ich meritire, daß printz Wilhelm ein wenig amitie vor mich hatt, den ich habe dießen artigen vettern recht lieb. Von der gutten fraw Brinck werde ich nichts anderst [242] sagen, alß daß, wen die zeitten beßer werden werden, wirdt sie es auch entgelten.[3] Von meinem sohn werde ich noch übeller bezahlt, alß vom könig, ist mir nun 4 gantzer jahr schuldig.[4] Ich glaube nicht, den frieden zu erleben, aber solte er auch schon kommen, so wirdt [es] doch noch etliche jahr ahnstehen, ehe alles wider in vorigen standt kommen wirdt. Hirmitt ist Ewer schreiben von 27 Mertz vollig beantwortet. Die, so mein paquet gemacht hatten, hatten Ewern brieff vergeßen; so habe ich ihn nur ahn Monsieur Martiny geschickt, wie er war. Schreibt mir, waß Eüch ahm gemächlichsten ist, daß ich Ewere brieffe in ma tante paquet thue oder allein schicke! Von printz Wilhelm sag ich nichts mehr, weillen ich weiß, daß er wider von Hannover weg ist. Ich bitte Eüch, schreibt mir, ob Ihr noch von dem weißen balsam von nöhten habt! so werde ich Eüch noch mehr schicken. Mitt kein geschmer[5] bin ich mein leben umbgangen, werde es nicht im alter ahnfangen. Die gräffin Platen hatt daß schmincken ahn hannoverischen hoff auffgebracht. Mich deücht, ich habe dießen brieff schon beantwortet, komme also auff daß vom 23 Februari, so ich gar gewiß noch nicht beantwortet habe. Ich mache mir eine lust, Eüch lang zu entrete[nie]ren. Von die bagoden noch medaillen sage ich nichts mehr, weillen wir wißen, daß beydes ahnkommen ist. Daß affenbuch[6] ist aber noch nicht ahnkommen. Mein fuß ist nun woll, aber die knie thun noch gar wehe. Ich bin heütte nur 3/4 stundt spaziren gangen; ich bin müder, alß wen ich vor dießem 4 stundt gangen bin. Dießen gantzen winter haben wir so viel regen, frost undt schnee gehabt, daß ich gantz undt gar nicht habe außgehen können. Es stehet jungen leütten so woll ahn, soldaten zu sein, undt unßer herrgott kan ja überall erhalten; man stirbt doch nur, wen seine zeit kommen ist.[7] Nichts ist betrübter, alß die seinige zu verliehren. Wer nicht ahn waß eytels dencken will, liebe Louise, muß ahn nichts dencken, waß in der weldt ist; den alles ist eyttel, undt so lang wir in der weldt sein, müßen wir mitt eyteln sachen umbgehen, unßer verhencknuß in dießer weldt ist so, liebe Louise! Es [243] wirdt spat. Ich muß auch nun schließen, habe auff alle Ewere liebe schreiben geantwort, bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louisse, von hertzen zu ambrassiren undt Eüch zu bitten, persuadirt zu sein, daß ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. April 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 241–243
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0519.html
Änderungsstand:
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