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Brief vom 18. Juni 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


532.


[257]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 18 Juni 1711.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen dinstag habe ich Ewer liebes schreiben vom 8 dießes monts zu recht entpfangen, sehe gern, daß meine brieffe nun so richtig überkommen. Die gedult, so ma tante hatt, meine schreiben mehr, alß einmahl, zu überleßen, kan ich ohnmöglich begreiffen, muß es nur dero gnaden vor mir zuschreiben; den mir selbsten ist es durchauß ohnmöglich, meine eygene schreiben zu überleßen; dieße mühe were mir viel größer, alß die, 20 bogen zu schreiben.[1] Wen Eüch, liebe Louisse, gar naturliche reden gefahlen, so wunderts mich nicht, daß Ihr gerne meine brieffe lest. Anderst, alß ich gedencke, kan ich mein leben [258] nicht sprechen, drumb deüch[2] ich auch gar nichts hir im landt. Waß wolt Ihr von runtzelen sagen? Ich bin ja 10 gantzer jahr alter, alß Ihr. Undt meint Ihr dan, daß ich eine glatte haut nun habe? Nein, warlich nicht. Ich bin braunrodt, voller kinderblatternmähler undt habe viel runtzeln, 5 rey an der stirn, in den ecken vom mundt, ahn den ecken von den augen, zwischen den augen über der naß daneben. Ich habe einen kurtzen halß, die taille wie die kübelreütter klein, breydt von axellen, habe umbs gesicht die haar weiß wie silber.[3] Meint Ihr nicht, liebe Louisse, daß Ihr Eüch bey einer solchen schönheit, wie die meine ist, nicht woll werdt bestehen können? Meine handt kan vielleicht leßlich sein, schön ist sie aber gantz undt gar nicht[4] undt kompt nicht bey der Ewerige, die eine rechte schönne cantzeleyschriefft ist. Ich bin fro, daß Eüch der beaume blanc so woll bekompt. Wen Ihr deßen noch mehr haben woldt, könt Ihr mirs nur sagen, so werde ich mehr schicken. Man sagt, da[ß] vor geschwulst undt gar geschwer in den ohren ist nichts beßer solle sein, alß in einem teig von rockenbrodt viel lorber zu thun, daß blat, die frucht undt blumen, hernach daß brodt backen laßen, undt wen es gantz warm auß dem offen kompt, muß man es in der mitten auffschneyten undt, so warm man es [leiden kann], vors ohr halten.[5] Daß ma tante thé undt chocolate gern drinnkt, geht woll hin; wen sie sich nur nicht ahn daß heßliche caffé gewondt, so alles geblüdt corompirt![6] Daß contrefait, daß mir ma tante vom printzgen geschickt, darin gleicht er seinen groß herr vatter, hertz[og] Jorg Wilhelm, wie zwey tropffen waßer. Wen er ihm nur auch in gütte gleich wirdt, ist alles gutt. Daß warme wetter incomodirt mich nie, undt so heiß die son auch sein mag, macht sie mir kein kopffwehe. Churbayren solle erster tagen herkommen undt mitt unß jagen, so werde ich I. L. selber Ewern brieff überreichen, ob zwar meine recommandation schlegt [259] bey ihm ist; er kan mich nicht leyden, ist ambarassirt mitt mir wie ein kindt. Solte Churbayern nicht herkommen, werde ich Ewern brieff ahn Monasterol geben, I. L. envoyes hir ahm hoff. Mir kan es gar keine mühe noch verdruß geben. Umb Eüch die warheit zu sagen, so habe ich dießen churfürsten gar nicht so ahngenehm gefunden, alß man ihn beschreiben[7], stehlt sich hir gar nicht churfürstlich. Ich verliehre schir gedult drüber, aber stille! davon ist nicht erlaubt, zu reden; daß nur noch sagen, kompt er, so gib ich ihm den brieff, kompt er nicht, so schicke ich ihn, I. L. wirdt ihn also gewiß bekommen. Es war woll nicht nohtig, entschuldigung vor Eüern brieff zu machen, den er war nicht zu tadtlen. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalt Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Juni 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 257–259
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0532.html
Änderungsstand:
Tintenfass