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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 25 Juni 1711.
Hertzallerliebe Louisse, heütte werde ich ohnfehlbar Ewern
brieff ahn Churbayren überlieffern, den I. L. werden heütte auff
der jagt sein; nach der jagt werde ich Eüch sagen, waß er wirdt
geantwortet haben. Ich sehe gern auß Ewerem lieben schreiben
vom 15 dießes monts, daß meine brieffe so richtig überkommen,
aber sie seindt keine dancksagung würdig, liebe Louise! Es war
ein secretarius, so Schlem heist, wo mir recht ist, so ma tante brieff
so übel bestelt hatt. Ewer brieff hatt er geschickt, weillen Ihr
damahls zu Hannover wahret. Es ist nur gar zu war, daß unßere
liebe churfürstin in einem alter ist, so einem immer bang vor I. L.
macht. Ihre fraw schwester hatt sich biß ins 88 jahr frisch undt
woll erhalten, aber da kam der schlag; sie lebten zwar noch 2 jahr,
hatten aber keine gesunde stunde mehr.
Donnerstag umb 9 abendts.
Die jagt hatt biß ein viertel auff 9 gewehrt. Ich habe Ewer
paquet Churbayern in eygene handen überreicht undt dabey
gebetten, Eüch favorabel zu sein. Er war heütte gantz lustig undt
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nicht ambarassirt wie letztmahl. Daß die gräffin Cosel frey, ist
kein wunder; schamhafftigkeit ist ihr handtwerck gar nicht. Ich
bitte Eüch, liebe Louisse, wen Ihr zu Franckfort sein werdet, so
schickt mir doch noch eine Schachtel von den Franckforter pillen!
Man plagt mich recht drumb, umb sie zu haben. Es ist woll eine
schandt undt spott vor Churpfaltz, Eüch so übel zu bezahlen. Ich
wolte von hertzen gern mehr plaudern undt auff alles andtwortten,
allein es ist gar zu spät. Die jagt hatt mir 4 stundt benohmen, 3,
so wir gejagt haben, undt eine, da ich mich wider habe anderst
ahnthun müßen. Ich muß doch heütte noch 2 brieff schreiben. Adieu
den, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt
versichere, daß ich Eüch recht lieb behalte.