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Brief vom 5. Juli 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


534.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 5 Julli 1711.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen donnerstag war es mir ohnmöglich, auff Ewer liebes undt ahngenehmes schreiben vom 21 Juni zu antwortten. Ich hatte hundert interuptionen, war mir woll von hertzen leydt; den ich versichere Eüch, liebe Louisse, daß ich Eüch lieber wolte entretenirt haben, alß alle die, so mich ahn schreiben verhindern[1] haben, daß könt Ihr woll sicher undt gewiß sein. Die vers von conte de Monceau[2] habe ich nicht in Ewerm brieff gefunden, müßen vergeßen worden sein. Ich bin ein nar undt weiß nicht, waß ich sage. Die 3 wunder habe ich entpfangen undt geleßen, sie wahren aber nicht in Ewerem paquet, sondern bey ma tante brieff. Es ist war, daß ma tante mir die betrübte zeittung von der fraw landtgräffin von Heßen Cassel todt [geschrieben hat]. Were ich nicht in trawer, so were daß eine vor mir. Ich glaube, daß kein großer unterschiedt zwischen einem schlag oder stickfluß ist, eines macht den garauß so woll alß daß ander. Es ist kein wunder, daß Ihr die landtgraffin beweindt; Ihr kendt ihre meritten undt [sie] hatt Eüch lieb gehabt, mehr gehört nicht zu einem so [261] gutten gemühte, wie daß Ewere ist, liebe Louisse! Ich beklage Eüch undt alle die, so dießer todt zu hertzen gangen, insonderheit dießer fürstin herr undt kinder. Allezeit weinen sehen ist zu langweillig auff die lenge. Ich finde sie glücklicher todt, alß leben undt jalous sein. Mein gott, wie kan man jalous von seiner leiblichen niepce sein! daß kan ich nicht begreiffen. Es kan sich nun außweiß[en], ob die landtgräffin recht gehabt, den der landtgraff kont sie ja woll heürahten; 30jahrig mensch kompt einen herrn von 56 jahren woll zu paß, junger solt es sich nicht schicken. Die hitz continuirt hir. Ich meinte, es wehren nun gar viel Reformirten zu Hannover, nun sie eine kirch haben. Warumb fahrt Ihr nicht in der kühle von Herrnhaußen undt in der kühle auch wider hin? Schwitzen bekompt mir woll. Die knie thun mir nicht mehr so wehe, alß vorhin. Ich hütte mich sehr, mich nicht zu verkalten, wen ich warm hab; ich drincke nicht, ich hette den erst von weißzeüg geendert undt were gantz trucken. Im kalten winter laß ich nie mein hembt wermen, ich ziehe mein hembt trocken ahn, aber nie warm; ist es ein wenig gewermbt, muß mans in die lufft schütteln, biß es wider kalt ist. Mein dochter hatt ihr kindt endtlich gefühlt, aber wegen eines endtstandenen brandt hatt sie wider nach Luneville gemüst; da hatt sich ihre betrübtnuß so verneüert, daß sie schir ärger ist, alß vorhin, undt ihr kindt rührt nicht mehr. Ich dancke Eüch, liebe Louisse, vor Ewere gutte wünsch. Nach große freüden tracht ich nicht undt kan sie nicht haben; wen mir nur gott erhelt, waß mir lieb ist, will ich schon zufrieden sein undt nichts mehrers begehern. Ich beklage meine vetter undt baßen zu Cassel, aber wie kont ich betrübt sein über eine person, die ich mein leben nicht gesehen habe? So nahe einem eine person auch sein mag, kan es einem daß hertz nicht rühren, es seye dan, daß man kundtschafft mitt brieffen gemacht hette, wie unßere königin in Spanien undt ich. Ich habe noch ahn mein tochter zu schreiben undt ich kan nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Elisabeth Charlotte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Juli 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 260–261
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0534.html
Änderungsstand:
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