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Marly den 7 April 1712.
Hertzallerlieb Louisse, bißher hatt ich wetter ahn gespenster,
noch folets, noch nichts dergleichen geglaubt, aber waß mir mitt
Eweren lieben briffen beg[eg]net, macht mich auffs wenigst daß
teüffelgen vor war halten, so man hir le diable au contretemps
[1] heist;
den waß mir mitt Ewern brieffen widerfahren, ist possirlich. Ich
habe sie alle gar woll undt richtig entpfangen, aber allemahl, wen
ich die feder genohmen, umb drauff zu andtworten, ist mir eine
verhindernuß zugestoßen, ohne daß in meinem vermögen gestanden,
dazu zu gelangen. Auff den paß vor den jungen Bernstein habe
ich nicht geantwort, weillen der könig alle die pasport abschlegt,
so vor officirer sein, so würcklich gegen I. M. dinnen. Seine
mutter aber, bitte ich, ambrassirt von meinetwegen undt versichert sie,
daß ich sie noch allezeit lieb habe! Der gutten fraw von
Wollmershaußen todt ist mir recht zu hertzen [gegangen], die threnen seindt
mir drüber in den augen kommen. Mein gott, liebe Louisse, wie
habe ich seyder 6 wochen ein ellendt undt betrübt leben hir
geführt in teglichen threnen! Die ahngenehme Dauphin[e] undt ihrn
gottsforchtigen herrn undt artiges printzgen in 3 wochen zeit so
sterben zu sehen, war woll waß erbärmliches,
[2] aber daß man
meinen sohn so verlogen, ist mir, wie Ihr woll dencken könt, noch
mehr zu hertzen gangen.
[3] Dießes alles hatt mich auch sehr
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ahn schreiben verhindert. Daß buch, so Ihr mir geschickt, habe
ich vor 14 tag entpfangen, dancke Eüch sehr davor. Da kompt
die duchesse de Bery herrein. Ich muß schließen undt woll wider
meinen willen nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb
habe undt allezeit lieb behalte.