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Brief vom 18. Juni 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


552.


[278]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den sambstag 18 Juni 1712.
Hertzallerliebe Louisse, weillen ich schon etlich mahl verspürt, [279] daß, wen ich vermeint, den posttag zu schreiben können, mir allezeit verhinderungen kommen sein, daß ich es nicht habe thun können, drumb versuche ich heütte, ob ich einmahl eine raisonable andtwort schreiben mögte, fange bey dem frischten [an], nehmblich daß vom 6ten dießes monts, so ich vergangenen donnerstag entpfangen. Ich schäme mich, daß Ihr den Dauphin von jade[1] ahn ma tante undt I. L. den churfürsten von Braunsweig gewißen; den es ist eine gar zu große bagatelle, glaube auch, daß sie es nur auß complaissance gerümbt haben. Waß der herr Haßenberg gebracht, geht beßer hin, indem es nur ein patron ist von einem geschwinden parasol, welches man leicht überall hinführen kan, wen einem in vollen spatziren der regen überfahlen solte. Hatte gehofft, daß dieße neüe invention, so schir ist wie Scaramutze[2] hoste et hostellesse, ma tante ein wenig würde lachen machen undt I. L. dieß rar present vor ihre freüllen werden nachmachen laßen. Derselbe man, so le clavesin brisses inventirt hatt, so mein sohn einsmahl ahn die königin in Preüssen geschickt hatte, hatt diß auch inventirt. Ma tante hatt mir gnädigst erlaubet, solche neüichkeitten zu schicken, ist mir nur leydt, daß nicht mehr vorhanden. Es ist woll nicht nohtig, daß ma tante waß sucht, mir wider zu geben; sie haben mir ja schon schön mehr geben, alß ich ahn ihnen. Ich bin fro, daß sie so viel damens bey sich hatt, den daß wirdt I. L. die zeit woll vertreiben; lange weill ist sehr ungesundt. Ich konte leyder jetz ma tante nicht woll folgen. Meine gesundtheit ist, gott lob, gutt, allein ich habe continuirliche schmertzen in den knien undt sein so schwach, daß, wen ich über 3 viertelstundt gehe, kan ich ohnmöglich weitter fort, ein kindt konte mich über einen hauffen werffen, habe auch den athem sehr kurtz. Ich glaube doch nicht, daß es gefahrlich; den ich sehe andere mehr so wie ich, denen es doch gar nicht schadt. Es ist recht loblich ahn Eüch, daß Ihr so fleißig seydt, aber in keiner beßern geselschafft könt Ihr woll nicht sein. Ich erinere mich monsieur Sleünitz[3] undt seiner frawen [280] gar woll, daß geschrey ging aber damahlen, daß er zwey weiber hette; die, so ich gesehen, war nicht schön. Großvogt Bullaw[4] ist ein ehrlicher mensch undt mein gutter freündt, aber graff Platten verachte ich sehr, undt wer er nicht vom hanoverischen hoff geweßen undt sein vatter undt mutter vor dießem meine gutte freünde geweßen, säß er mir noch in der Bastille. Es ist ein insolent, desbauchirt burschen, woran ich gar nichts guts gefunden. Er mag woll die Frantzoßen haben, den weillen er einen von den gemeinsten huren ist von Paris nach Fontainebleau auff der post nachgeloffen, ist es woll kein wunder, daß er voller Frantzosen steckt. Den gutten ehrlichen Jochem Henrich fandt ich, wie ich in Port royal fuhr, in einer landtkutsch, kente ihn gleich, sagte abendt zu Christian August Haxsthaussen[5]: Jochem Henderich ist zu Paris, ich habe ihn ahnkommen sehen. C. A. Haxsthaussen sagte, es könne nicht sein, ich müst einen andern vor ihm ahngesehen haben. Ich bestundt drauff, er were es. Ich glaub, es ware woll ein jahr 12 oder 15, daß ich ihn nicht gesehen hatte, er hatte aber noch daßelbe gesicht, so er in seiner jugendt gehabt. Haxsthaussen suchte ihn so lang, biß er ihn fandt undt zu mir brachte. Ich habe all mein leben viel von ihm gehalten undt thue es noch. Daß, bitt ich Eüch, wolt Ihr ihn von meinetwegen versichern undt daß es mir eine rechte freüde ist, zu sehen, daß er mich nicht vergist undt noch allezeit mein gutter freündt ist! Vor dießem hatte er sich so kein la la la, noch drin drin ahngewohnt; hette er lenger hir blieben, würde ichs ihm nicht gelitten haben undt so geplagt haben, biß er es nicht mehr würde gesagt haben. Hiemitt ist Ewer wehrtes schreiben vom 6 vollig einmahl beantwortet, ich komme auff daß vom 30 May. Es hatt mich recht erfrewet, liebe Louisse, darauß zu sehen, daß die kleine babiolle, so ich Eüch geschickt, daß jade-pitschirgen, Eüch so ahngenehm geweßen. Ich wuste nicht, daß Ihr solche sachen liebt, liebe Louisse! Nun ich es weiß, hoffe ich, mehr dergleichen zu bekommen. Carlmoritz s., der alle Ewere schönne pitschir verlohren, hatt woll erwießen, daß Ihr sie mehr werdt ware. Ich habe woll auff wenigst 300 pitschir, [281] eines schonner, alß daß andere, ohne die gerechnet, so ich hir meinen gutten freündinen gehen habe. Ewer pitschir were nicht gutt vor mich, den meine seindt alle wie ring eingfast undt ordendtlich rangirt; diß konte man nicht rangiren, weillen er zu hoch in dem kistgen were, konte nicht unter die zahl der meinigen bleiben; also macht Ein[6] keinen scrupel, daß ich es Eüch geschickt habe! Es ist auch nicht der mühe werdt, daß man weitter davon spricht. Waß man selbsten liebt, meint man alß, daß andere leütte gern auch hetten, habe also dißmahl gantz auff … Schachtelger seindt hir nicht rahr, man hatt dern in die menge. Aber es schlegt 10, muß eine pausse auff morgen machen, da ich dießen brieff erst außschreiben werde.
Sontag den 19 Juni umb 3 viertel auff 9 abendts.
Ich hatte gehofft, heütte Ewer schreiben vom 30 May vollendts zu beantworten, es ist mir aber ohnmöglich, es seindt mir gar zu viel hindernüßen vorgefallen, muß schließen. Ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Juni 1712 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 278–281
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0552.html
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