[291]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Ghör.
Versaille den sambstag 22 October 1712.
Hertzallerliebe Louise, weillen mir alle posttage so unglücklich
sein, daß mir allezeit verhindernüße zuschlagen, wen ich Eüch
schreiben will, so nehme ich heütte einen tag, der kein posttag ist,
hoffe, mein schlimen geist undt esprit de contre-temps
[1] damitt zu
ertapen, fange bey dem frischten ahn vom 10 dießes monts. Die
rechte warheit zu sagen, so gefelt mir Ewere reiße nach der Ghör
gantz undt gar nicht; den erstlich so werde ich ma tante gnädige
schreiben nicht mehr so richtig bekommen, alß wen I. L. zu
Hanover oder Herrnhaussen sein, zum andern so macht mich die reiße
bang vor ma tante gesundtheit; den der windt fengt ahn, scharpff
undt kalt zu werden, so leicht husten undt schnupen gibt, undt
solte ma tante husten undt schnupen dort bekommen, fürchte ich,
daß er zu lang wehren solte, den die walder seindt nun kalt undt
feücht. Mich verlangt sehr, zu vernehmen, wie die hinreiß abgangen.
Vor die gutte wünsche, so Ihr zu dießer reiße thut, sage ich von
hertzen gern amen. Ma tante hatt mir den fluß, so I. L. ahm
backen haben, nicht verhelt, wie auch, daß ihnen ein forderzahn
außgefahlen. Ich bin auch schir so, der meine ist halb abgebrochen.
[292]
Es ist schwer mitt zahnschmertzen schlaffen. Ich habe es zwar,
gott [lob], nie selber experimentirt, aber viel gesehen, so
erschrecklich dran gelitten haben, alß nehmblich mein herr s. undt auch
meine tochter. Mich wundert, daß man nicht ahn ma tante rede
gewahr wirdt, daß sie den fordern zahn verlohren haben; mich
macht mein halber unerhört pfeyffen. Wen die zähn wacklin, muß
man sie nie mitt opiat noch mitt nichts reiben, aber den mundt
offt mitt wein spüllen undt etlichen tropffen eine zeit in dem mundt
behalten, daß stärcket daß Zahnfleisch. Ob ich zwar dieße
trawerige sache nicht mitt meinen augen gesehen, so gestehe ich doch,
daß es mich recht trawrig gemacht hatt undt mehr, alß ichs mir
bey ma tante hab mercken laßen; den ich weiß, wie leydt einen
solche sachen selber sein undt wie leydt es einem thut, davon zu
reden. Gott erhalte I. L. noch 50 jahr so! Ihr meldt nur, daß
die gräffin zur Bückeburg nach der Ghör gehet, Ihr sagt aber nichts
vom freüllen Pelnitz. Bleibt die zurück, daß wer mir leydt, den
sie divertirt unßere liebe churfürstin. Mein füß undt knie seindt
nicht so geschwollen, alß sie geweßen, finde auch weniger schmertzen
dran, alß vor ein mont, allein sie seindt so schwach, daß mich eine
muck umbstoßen konte. Mein sohn hatt nur ein ephemer fieber
gehabt, so ihm 4 stundt gewehrt, ist aber nicht wider kommen,
gott lob! Daß böße findt sich eher, alß daß gutte. Dancke Eüch
sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Morgen
werden wir ein Te deum hören wegen der übergab von Buchain,
[2]
hiemitt ist dieße campagne zum endt. Gott gebe, daß der frieden
möge gemacht werden undt kein campagne mehr sein möge! Ich
kome jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 3 October. In den
frantzoschen gazetten ist selten waß beßers, alß deß königes
communionen. Zu meiner zeit ging man nur den 1 September zum h.
abendtmahl, aber nie im October. Zu meiner zeit that
[3] man auch
woll seine glaubensbekandtnuß gethan, ehe man zum ersten mahl
zum h. abendtmahl geht, aber vom confirmiren habe ich mein tage
nichts gehört, daß muß erst seyder dem auffkommen sein. Zu
meiner zeit gingen die mansleütte erst zum h. abendtmahl, wen sie
15 jahr alt wahren. Ich habe meine offendtliche
glaubensbekandtnuß zu Heydelberg in mein pressentz von
[4] I. G. mein herr vatter
[293]
undt 5 oder 6 pfarher gehalten, aber nicht in der kirch. Monsieur
Harlay
[5] ist
[6] ma tante woll gefablen, wie Ihr woll wist; es ist mir
leydt, daß er nicht lenger blieben. Kein fürst ist so magnific, alß
dießer englische herr, den armen zu geben. Ist etwaß neües …
Solte der könig in Engellandt von religion endern, kan niemandts
hindern, daß er auff seinen … den er ist ja der rechtmäßige
könig. Ma tante würde mehr fatiguen außstehen, wen sie etliche
tage reißen müsten, alß in relay zu fahrn. Gott gebe glück zu
der reiß undt [daß] alles woll ablauffen mag! Hirmitt habe ich
Eweren zweyten brieff auch exact beantwort. Habe ich morgen
zeit, werde ich daß vom 26 September beantworten, wo nicht, so
nembt hirmitt vorlieb undt seydt versichert, daß ich Eüch allezeit
von hertzen lieb behalte!