Seitenbanner

Brief vom 22. Oktober 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


563.


[291]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Ghör.

Versaille den sambstag 22 October 1712.
Hertzallerliebe Louise, weillen mir alle posttage so unglücklich sein, daß mir allezeit verhindernüße zuschlagen, wen ich Eüch schreiben will, so nehme ich heütte einen tag, der kein posttag ist, hoffe, mein schlimen geist undt esprit de contre-temps[1] damitt zu ertapen, fange bey dem frischten ahn vom 10 dießes monts. Die rechte warheit zu sagen, so gefelt mir Ewere reiße nach der Ghör gantz undt gar nicht; den erstlich so werde ich ma tante gnädige schreiben nicht mehr so richtig bekommen, alß wen I. L. zu Hanover oder Herrnhaussen sein, zum andern so macht mich die reiße bang vor ma tante gesundtheit; den der windt fengt ahn, scharpff undt kalt zu werden, so leicht husten undt schnupen gibt, undt solte ma tante husten undt schnupen dort bekommen, fürchte ich, daß er zu lang wehren solte, den die walder seindt nun kalt undt feücht. Mich verlangt sehr, zu vernehmen, wie die hinreiß abgangen. Vor die gutte wünsche, so Ihr zu dießer reiße thut, sage ich von hertzen gern amen. Ma tante hatt mir den fluß, so I. L. ahm backen haben, nicht verhelt, wie auch, daß ihnen ein forderzahn außgefahlen. Ich bin auch schir so, der meine ist halb abgebrochen. [292] Es ist schwer mitt zahnschmertzen schlaffen. Ich habe es zwar, gott [lob], nie selber experimentirt, aber viel gesehen, so erschrecklich dran gelitten haben, alß nehmblich mein herr s. undt auch meine tochter. Mich wundert, daß man nicht ahn ma tante rede gewahr wirdt, daß sie den fordern zahn verlohren haben; mich macht mein halber unerhört pfeyffen. Wen die zähn wacklin, muß man sie nie mitt opiat noch mitt nichts reiben, aber den mundt offt mitt wein spüllen undt etlichen tropffen eine zeit in dem mundt behalten, daß stärcket daß Zahnfleisch. Ob ich zwar dieße trawerige sache nicht mitt meinen augen gesehen, so gestehe ich doch, daß es mich recht trawrig gemacht hatt undt mehr, alß ichs mir bey ma tante hab mercken laßen; den ich weiß, wie leydt einen solche sachen selber sein undt wie leydt es einem thut, davon zu reden. Gott erhalte I. L. noch 50 jahr so! Ihr meldt nur, daß die gräffin zur Bückeburg nach der Ghör gehet, Ihr sagt aber nichts vom freüllen Pelnitz. Bleibt die zurück, daß wer mir leydt, den sie divertirt unßere liebe churfürstin. Mein füß undt knie seindt nicht so geschwollen, alß sie geweßen, finde auch weniger schmertzen dran, alß vor ein mont, allein sie seindt so schwach, daß mich eine muck umbstoßen konte. Mein sohn hatt nur ein ephemer fieber gehabt, so ihm 4 stundt gewehrt, ist aber nicht wider kommen, gott lob! Daß böße findt sich eher, alß daß gutte. Dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Morgen werden wir ein Te deum hören wegen der übergab von Buchain,[2] hiemitt ist dieße campagne zum endt. Gott gebe, daß der frieden möge gemacht werden undt kein campagne mehr sein möge! Ich kome jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 3 October. In den frantzoschen gazetten ist selten waß beßers, alß deß königes communionen. Zu meiner zeit ging man nur den 1 September zum h. abendtmahl, aber nie im October. Zu meiner zeit that[3] man auch woll seine glaubensbekandtnuß gethan, ehe man zum ersten mahl zum h. abendtmahl geht, aber vom confirmiren habe ich mein tage nichts gehört, daß muß erst seyder dem auffkommen sein. Zu meiner zeit gingen die mansleütte erst zum h. abendtmahl, wen sie 15 jahr alt wahren. Ich habe meine offendtliche glaubensbekandtnuß zu Heydelberg in mein pressentz von[4] I. G. mein herr vatter [293] undt 5 oder 6 pfarher gehalten, aber nicht in der kirch. Monsieur Harlay[5] ist[6] ma tante woll gefablen, wie Ihr woll wist; es ist mir leydt, daß er nicht lenger blieben. Kein fürst ist so magnific, alß dießer englische herr, den armen zu geben. Ist etwaß neües … Solte der könig in Engellandt von religion endern, kan niemandts hindern, daß er auff seinen … den er ist ja der rechtmäßige könig. Ma tante würde mehr fatiguen außstehen, wen sie etliche tage reißen müsten, alß in relay zu fahrn. Gott gebe glück zu der reiß undt [daß] alles woll ablauffen mag! Hirmitt habe ich Eweren zweyten brieff auch exact beantwort. Habe ich morgen zeit, werde ich daß vom 26 September beantworten, wo nicht, so nembt hirmitt vorlieb undt seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Oktober 1712 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 291–293
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0563.html
Änderungsstand:
Tintenfass